Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2019: Forschung

Wie Fledermäuse Echoortung zur Navigation und Nahrungssuche nutzen

Die US-Neurowissenschaftlerin Cynthia Moss ist Humboldt-Gastprofessorin an der Universität Tübingen

Professorin Cynthia Moss von der Johns Hopkins University in Baltimore arbeitet mit Professor Hans-Ulrich Schnitzler am Zentrum für Integrative Neurowissenschaft (CIN) der Universität Tübingen zusammen. Sie ist hier mit einer Humboldt-Gastprofessur. Als Neurowissenschaftlerin hat sich Professorin Moss auf die Sinneswahrnehmung spezialisiert. Im Mittelpunkt ihrer Zusammenarbeit mit Hans-Ulrich Schnitzler steht das hoch entwickelte Echoortungssystem der Fledermäuse: Wie nutzen diese Tiere reflektierte Laute zur Darstellung des dreidimensionalen Raumes? Und wie sieht ihr akustisches Bild im Vergleich zum menschlichen Sehen aus?

Cynthia Moss arbeitete bereits von 1985 bis 1987 als Postdoc bei Professor Schnitzler in Tübingen. In ihren Experimenten prüfte sie seinerzeit die Leistung der Fledermäuse bei der Unterscheidung von Sonarzielbereichen. Sie brachte den Fledermäusen bei, Echoortungsrufe zu produzieren und die verzögerte Wiedergabe dieser Geräusche zu hören. Durch die Verzögerung hatte es den Anschein, dass die Echos von Objekten in unterschiedlicher Entfernungen kommen. 

Fledermäuse verlassen sich auf die Echoverzögerung, um den Abstand zu Objekten abzuschätzen. Moss stellte fest, dass die Fledermäuse selbst die kleinsten Änderungen der Echoverzögerung unterscheiden konnten – und zwar im Mikrosekundenbereich. Die neurobiologische Grundlage für das Unterscheidungsvermögen bei Fledermäusen mit feiner Echoverzögerung birgt noch viele Rätsel für die Wissenschaft.

Moss kehrte im April 2019 nach Tübingen zurück und sagt, dass sie sich hier gleich wie zu Hause fühlte. Aktuell untersucht sie, wie Fledermäuse die Intensität ihrer Sonarrufe modulieren und Echos nutzen, um die Position und die Merkmale von Objekten in ihrer Umgebung zu erkennen. Etwa 1000 Fledermausarten nutzen die Echoortung, um zu navigieren und Nahrung zu finden; die meisten von ihnen sind relativ klein. Die Experimente von Moss werden mit nordamerikanischen Big Brown Bats durchgeführt, einer Art, die bereits umfassend untersucht wurde. Trotz ihres Namens sind die Tiere nur etwa so groß wie eine Maus.

Am Ende ihres viermonatigen Aufenthalts in Tübingen wird Cynthia Moss mit einer Gruppe von Doktoranden in den Cát Bà Nationalpark in Vietnam reisen, um die akustische Kommunikation von Tieren wie Fledermäusen, Fröschen und Insekten zu untersuchen. Die Gruppe besteht aus Studierenden aus den USA, Tübingen, Israel und Vietnam. "Forschungsteams müssen international sein", sagt Moss. "Wir wollen, dass Menschen aus verschiedenen Ländern und Labors zusammenarbeiten" und ihre unterschiedlichen Interessen und Ansätze teilen.

Dieser Field Course wird nicht nur Daten für die Forschung liefern, sondern den Studierenden auch helfen, anspruchsvolle Experimente zu gestalten, die Ergebnisse zu interpretieren, und kritisch zu denken. "Es ist wunderbar zuzusehen, wie sich Studierende zu Wissenschaftlern entwickeln", sagt Moss.

Amanda Crain