Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2019: Alumni Tübingen

„Ändere die Welt – sie braucht es.“

Interview mit Alumna Mutter Hildegard, Äbtissin von St. Walburg in Eichstätt

Die US-Amerikanerin Hildegard Dubnick war Anfang der 1980er-Jahre als Gaststudentin an der Universität Tübingen. Nach der Rückkehr in ihre Heimat trat sie 1987 in ein Benediktinerkloster in Boulder, Colorado, ein und legte 1990 das Ordensgelübde ab. Im Januar 2019 wurde sie als Mutter Hildegard zur Äbtissin der Abtei St. Walburg in Eichstätt gewählt.

Mutter Hildegard, nach einem zweijährigen Deutschlandaufenthalt in den 1980er-Jahren gingen Sie in die USA zurück. Was hat Sie dazu bewogen, jetzt nach so langer Zeit wieder nach Deutschland zu kommen?

Von 1980 bis 1981 war ich für zwei Semester in Tübingen als Austauschstudentin. Ich studierte damals an der Washington University in St. Louis, Missouri. Drei Jahre später habe ich über das Deutsch-Amerikanische Fulbright-Programm für Lehrer ein Jahr als Sprachassistentin für Englisch am Gymnasium in Germersheim am Rhein gearbeitet. Im Jahr 1987 bin ich in ein Benediktiner-Kloster in Boulder, Colorado, eingetreten – das „zufällig“ eine Gründung der Abtei St. Walburg in Eichstätt in Bayern ist. Im Januar 2019 wurde ich zu Äbtissin dieser „Mutterabtei“ St. Walburg gewählt und wohne jetzt in Eichstätt.

Warum haben Sie Sprachwissenschaften und Deutsch studiert?

Ich habe mich immer für Sprachen interessiert und schon in der Schule etwas Spanisch gelernt. Weil meine High School in Oak Park Illinois auch Deutsch anbot, habe ich mich angemeldet, denn es hieß, die beiden Fremdsprachen seien ziemlich unterschiedlich. An der Universität habe ich mich dann für Sprachwissenschaft als Fach entschieden, weil mich das Phänomen der menschlichen Sprache als Ganzes fasziniert.

Welche Erinnerungen verbinden Sie mit Ihrer Zeit in Tübingen?

Der Neckarinsel im Herbst ist vermutlich einer der schönsten Orte aller Welt. Leider muss ich zugeben, dass in meiner Tübinger Zeit meine Deutschkenntnisse sehr gering waren und ich von den Vorlesungen wenig verstanden habe. Was mir von Tübingen noch in Erinnerung geblieben ist: die Altstadt, Orgelkonzerte in der Stiftskirche und die vielen verschiedenen Sorten Schwarztee, die man in Tübingen in jedem Laden kaufen konnte.

Wie kamen Sie von den Sprachwissenschaften zu den Benediktinerinnen?

Als ich mir meine künftige akademische Laufbahn vorstellte, wuchs in mir allmählich das Gefühl, ich würde diesen Beruf nicht ganz befriedigend finden. Ich wollte jeden Tag aufstehen können, ohne mich fragen zu müssen, ob es sich lohnt, zur Arbeit zu gehen. Beten lohnt sich immer.

Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?

Kurz vor 5 Uhr läutet es zum Aufstehen. Eine halbe Stunde danach treffen wir uns im Nonnenchor zur Laudes und Heiligen Messe. Nach dem Frühstück gehen wir an die Arbeit bis zur Mittagshore um 12 Uhr. Nachmittags gehen wir wieder an die Arbeit, dann zur Vesper um 17.00 Uhr. Nach Abendtisch und gemeinsamer Rekreationszeit kommen die letzten Gebete des Tages um 19.15 Uhr im Chor.

Mit 30 Schwestern gibt es im Hause schon viel zu tun – Küche, Wäsche, Krankenpflege, Verwaltung, Bibliothek und vieles mehr. Wir führen ein Gästehaus, einen Klosterladen, machen Karten, Marmelade und Likör zum Verkauf, und wir betreuen viele Besucher und Pilger, die zur Grabstätte der Heiligen Walburga kommen. Einige Schwestern unterrichten zum Beispiel in Schulen, verfassen Artikel und Bücher. Als Äbtissin bin ich als allgemeine „Chefin“ für alles verantwortlich. Dazu gehören viel Verwaltung und viele praktische Fragen, aber meine Aufgabe sehe ich hauptsächlich in der Förderung von Menschen. Ich soll den Schwestern helfen, so zu wachsen, wie Gott es will. Dazu gehört viel Hinhören, Feingefühl, und auch viele Unterbrechungen, wenn jemand etwas braucht.

Was möchten Sie den heutigen Studierenden im Hinblick auf Studium und Berufswahl mit auf den Weg geben?

„Ändere die Welt – sie braucht es.“ Dazu kann jeder Studiengang, jeder Beruf einen Beitrag leisten.

Das Interview führten Melina Metzker und Maximilian von Platen