Uni-Tübingen

Wie Pflanzen Berge formen

Pflanzenbewuchs kann Hänge stabilisieren, Regenfälle verstärken hingegen häufig die Bodenerosion. Bisher war das Zusammenspiel dieser Einflüsse auf die Gebirgsbildung nur für einige kleinere Regionen der Erde bekannt. Professor Todd Ehlers, Dr. Jessica Starke und Dr. Mirjam Schaller aus dem Fachbereich Geowissenschaften der Universität Tübingen haben die Wechselwirkung von Pflanzen und Klima auf die Gebirgsbildung nun in einer großangelegten Studie untersucht. Bei ihrer Forschungsarbeit entlang des 3.500 Kilometer langen Westrands der Anden in Peru und Chile stellten sie fest, dass der Einfluss von Pflanzen auf Landschaft und Erosion je nach Region gegensätzlich ausfallen kann. Entscheidende Faktoren sind Klimazonen und Pflanzenbewuchs. Während zum Beispiel in der trockenen Atacama-Wüste die spärliche Vegetation den Boden festhält, ist im Gegensatz dazu in gemäßigten feuchteren Regionen mit einer dichteren Pflanzendecke eine höhere Erosionsrate zu beobachten. Die Ergebnisse werden in der Fachzeitschrift Science veröffentlicht. 

„Unsere Studie ist ein Beispiel für eine neue Wissenschaftsgrenze, die an der Schnittstelle der Geo- und der Biowissenschaften liegt. Wir erfahren immer mehr darüber, wie stark die festen und lebendigen Teile der Erde miteinander wechselwirken, und wir können die Effekte dieser Interaktionen über lange Zeitskalen von Tausenden von Jahren beobachten“, sagt Ehlers.

Pressemitteilung:
https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/archiv/archivfullview-pressemitteilungen/article/wie-pflanzen-berge-formen/ 


Das menschliche Gebiss als Spiegel unserer Evolution

Genetische Verwandtschaftsbeziehungen zwischen individuellen Menschen oder auch Menschengruppen lassen sich anhand ihrer Zahnformen teilweise rekonstruieren. Dr. Hannes Rathmann und Dr. Hugo Reyes-Centeno von der Kolleg-Forschungsgruppe „Words, Bones, Genes, Tools“ an der Universität Tübingen haben nun mithilfe eines Algorithmus herausgearbeitet, welche der zahlreichen Zahnmerkmale sich für Verwandtschaftsanalysen besonders gut eignen und welche Zahnmerkmale weniger die Verwandtschaft, sondern eine ähnliche Anpassung an gleiche Umweltbedingungen widerspiegeln. Die Studie erschien in der Fachzeitschrift Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS).

Die Form menschlicher Zähne ist stark variabel und unterscheidet sich im Detail von Person zu Person. Merkmale sind zum Beispiel die Größe der Zahnhöcker, das Furchenmuster in Zahnkronen, die unterschiedliche Anzahl von Zahnwurzeln oder das Vorhandensein beziehungsweise Fehlen von Weisheitszähnen. Solche Zahnmerkmale sind erblich. Bestimmte Ausprägungen treten familiär gehäuft auf und lassen sich weltweit mit unterschiedlicher Häufigkeit in verschiedenen Bevölkerungsgruppen beobachten. „Zahnmerkmale lassen sich alternativ zum genetischen Material der DNA für populationsgenetische Studien verwenden“, sagt Hannes Rathmann. Zähne seien härter als Knochengewebe und Zahnreste verstorbener Individuen meist noch gut erhalten, selbst wenn Knochen und DNA längst zerfallen sind.

Publikation:
Hannes Rathmann and Hugo Reyes-Centeno. 2020. Testing the utility of dental morphological trait combinations for inferring human neutral genetic variation. Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America. https://dx.doi.org/10.1073/pnas.1914330117  

Pressemitteilung:
https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/newsfullview-pressemitteilungen/article/das-menschliche-gebiss-als-spiegel-unserer-evolution/


Geburt eines „Schneemanns“ am Rand des Sonnensystems

Das asteroidähnliche Objekt Arrokoth im Kuipergürtel ist das erdfernste Objekt am Rand unseres Sonnensystems, das von einer Sonde besucht und ins Bild gesetzt wurde. Sein Aufbau aus zwei ungleich großen rundlichen Teilen, die durch einen schmalen Hals verbunden sind, trug ihm den Spitznamen „Schneemann“ ein. Ein Forschungsteam unter der Leitung von Evgeny Grishin, Dr. Uri Malamud und Professor Hagai Perets von Technion, dem Israel Institute of Technology, hat untersucht, wie sich die ursprünglich zwei Körper von Arrokoths Gestalt aneinanderfügten, ohne in einer Kollision zerstört zu werden. 

Oliver Wandel und Dr. Christoph Schäfer vom Institut für Astronomie und Astrophysik der Universität Tübingen haben die Simulationen entwickelt, mit denen die Wissenschaftler ihre Hypothesen überprüft haben. Danach gehen sie davon aus, dass Arrokoth im komplexen Dreiersystem mit der Sonne durch die langsame Annäherung zweier kleiner Körper entstanden ist. Mit ihrem Modell lässt sich allgemein die Entstehung vieler Doppelsysteme im Kuipergürtel erklären. Ihre Studie wurde in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht.

Arrokoth erhielt am 1. Januar 2019 Besuch von der Raumsonde der NASA New Horizons, die 2006 zur Erforschung von Pluto gestartet war. Die Sonde kam bis auf 5.500 Kilometer an Arrokoth heran. Noch unter den früheren Namen 2014 MU69 und Ultima Thule (lateinisch: „Der Rand der Welt“) war Arrokoth als geeignetes, nicht zu weit von Pluto entfernt liegendes Objekt zur näheren Erforschung bei dieser Mission ausgewählt worden. Arrokoth bedeutet „Himmel“ oder „Wolke“ in der inzwischen ausgestorbenen Sprache Powhatan eines amerikanischen Stammes.

Publikation:
Evgeni Grishin, Uri Malamud, Hagai B. Perets, Oliver Wandel, Christoph M. Schäfer: Origin of (2014) MU69-like Kuiper-belt contact binaries from wide binaries. Nature, https://dx.doi.org/10.1038/s41586-020-2194-z 

Pressemitteilung:
https://uni-tuebingen.de/universitaet/aktuelles-und-publikationen/pressemitteilungen/newsfullview-pressemitteilungen/article/geburt-eines-schneemanns-am-rand-des-sonnensystems/