Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2020: Leute

Ein herausragender Botaniker und Gremien-Weiser

Zum Tode von Professor Dr. Berthold Schwemmle ein Nachruf von Detlef Zienert und Hans Dieter Frey

Mit Professor Dr. Berthold Schwemmle ist Ende Februar 2020, kurz nach seinem 93. Geburtstag, ein weit über die Grenzen von Tübingen hinaus bekannt gewordener Botaniker gestorben. Seine große Leidenschaft für die Weitergabe von naturwissenschaftlichem Wissen führte zu einem breiten Spektrum beruflicher Aktivitäten. Schwemmles botanische Exkursionen nach Helgoland waren das Highlight für viele Studierende, über das auch heute noch gesprochen wird. 

Dem Bereich der Pflanzenphysiologie war Schwemmle in besonderer Weise verbunden. Anfänglich beschäftigte er sich mit Fragestellungen der Blütenbildung und deren Steuerung. Sein wissenschaftliches Lebenswerk galt aber der Analyse der genetischen Konstitution und Aufklärung der Wechselbeziehung zwischen Genotyp und Plasmotyp und deren physiologischer Manifestation. Er nutzte dafür erfolgreich südamerikanische Nachtkerzen (Oenotheren). Als komplexes genetisch genau bekanntes pflanzliches Modellsystem bildeten diese zusammen mit den daraus gewonnenen reziproken Bastarden die Basis für sein außerordentliches wissenschaftliches Werk. Schwemmle hat es verstanden, für die unterschiedlichsten Fragestellungen Generationen von Studierenden zu begeistern und zur Mitarbeit in seinem Labor anzuregen. Sie profitierten von seinem breiten Wissen. Zahlreiche Diplom- und Staatsexamensarbeiten sowie Dissertationen sind unter seiner Anleitung daraus entstanden. Viele seiner Schülerinnen und Schüler erreichten leitende Positionen und waren an Universitäten im In- und Ausland als Professoren tätig.

Stetig war er auf der Suche nach neuen didaktischen Methoden. Früh entwickelte er als Themenbereichs-koordinator Studiengänge für ein Fernstudium im Medienverbund, später wurde daraus ein intensives Interesse an Fragen der Wissensvermittlung und des Wissenstransfers, das in eine langjährige Tätigkeit am Deutschen Institut für Fernstudienforschung an der Universität Tübingen (DIFF) mündete. Als Arbeitsbereichsleiter prägte Schwemmle das Institut maßgeblich, stand für Kontinuität im Wandel und setzte Standards für hohe Qualität der Arbeitsergebnisse. Aber auch außerhalb der Universität waren sein Wissen und seine Meinung gefragt. So war er über viele Jahre Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Bundesforschungsanstalt für Rebenzüchtung Geilweilerhof.

Erwähnung verdient auch sein langjähriger Einsatz in zahlreichen Kommissionen der universitären Selbstverwaltung. So gehörte er ohne nennenswerte Unterbrechung dem großen Senat, dem Senat und dem Verwaltungsrat an. Und dies nicht nur in guten, sondern auch in schwierigen Zeiten, in denen die Gremienarbeit außerordentlich belastend war und nicht nur Freundschaften eintrug. In der Festschrift zu seinem 65. Geburtstag beschreibt der Kulturwissenschaftler Eckart Frahm Schwemmle als „Gremien-Weisen“ trefflich: „Strenge und Milde, Ernst und Heiterkeit, Zielstrebigkeit und kreisende Suchbewegungen, Neugierde und Motivationslust, Ermutigung und Kritik“. Und der damalige Präsident der Universität Tübingen Adolf Theis bescheinigt ihm in seiner Laudatio „Sein Sachverstand, seine freundliche Art des Umgangs mit Menschen, sein abgewogenes Urteil und sein Geschick, in verhärteten Frontstellungen die Kompromissformel zu finden, haben ihn über die Gruppen hinweg zu einem geschätzten Verhandlungspartner werden lassen“.

Schwemmle war über viele Jahre Dekan und Prodekan. Er gehörte dem Fakultätsrat als langjähriges Wahl- und Fachmitglied an, war Mitglied und Vorsitzender des Diplomprüfungsausschusses, Mitglied des Prüfungsamts für das Lehramt an Gymnasien und in gleicher Funktion über mehrere Amtsperioden in der Studienkommission tätig. Viele Jahre gehörte er dem Planungsausschuss der Fakultät, der Graduiertenkommission und der Reinhold und Maria Teufel Stiftung zur Vergabe von Stipendien an. 

Mit Professor Dr. Berthold Schwemmle geht ein geschätzter, langjähriger Wegbegleiter unserer Universität, dessen außerordentliche Verdienste auch heute noch nachwirken. Er  wird seinen Kollegen, Studenten und Doktoranden, denen er stets auch menschlich zugewandt begegnete, in dankbarer Erinnerung bleiben. Wir alle trauern mit seiner Familie.