Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2022: Alumni Tübingen
„Korrekt, transparent, bürgerfreundlich und schnell“
Ein Interview mit Alumnus Markus Jox, Pressesprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg
Markus Jox ist seit 2016 Pressesprecher des Ministeriums für Soziales, Gesundheit und Integration Baden-Württemberg. Frühzeitig während des Studiums und danach verfolgte er eine journalistische Karriere. Seine Studienzeit in Tübingen, aber auch die vergangenen zwei Pandemie-Jahre haben ihn für seine tägliche Arbeit als Kommunikator nachhaltig geprägt.
Warum haben Sie sich für ein Studium an der Universität Tübingen entschieden?
Damals in der „digitalen Steinzeit“ – das war 1992/93 – gab es noch kein privates Internet. Ich habe daher zahlreiche Universitäten – ganz klassisch – per Brief angeschrieben und mir tonnenweise Hochglanzbroschüren und Vorlesungsverzeichnisse zu mir nach Hause nach Oberschwaben schicken lassen. Ich bin daraufhin nach Freiburg, München, Heidelberg und Tübingen gefahren und habe mich einfach in Vorlesungen hineingesetzt. Am Ende fiel meine Wahl auf ein Studium der Fächer Politikwissenschaft, Germanistik und Geschichte an der Universität Tübingen. Denn Tübingen war und ist groß genug, um sich neben dem Studium auch Kunst, Kultur und Kneipen widmen zu können. Gleichzeitig ist Tübingen aber auch klein genug, um sich für das Studium nicht allzu sehr von anderen Dingen ablenken zu lassen. Und nicht zuletzt bin ich auch wegen des Schwäbischen Tagblatts nach Tübingen geeilt, dem – damals zu Recht – der Ruf vorauseilte, einen der besten Lokalteile Deutschlands zu produzieren. Ich verfolgte schon früh eine journalistische Karriere und lernte als Student auch den legendären damaligen Chefredakteur und Verleger des Tagblatts Christoph Müller kennen.
Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Studienzeit?
Mein Strom an Erinnerungen reißt nicht ab. Ich erinnere mich an die vielen Buchhandlungen wie beispielsweise „Frick“ in der Nauklerstraße, an den Duft der Copyshops, in denen ich abertausende Stunden verbrachte. Ich sehe auch noch die belebte Kneipenlandschaft vor meinem inneren Auge, vom Ammerschlag über den Pfauen, den Hades und die Tangente jour bis hin zur Wurstküche und dem Bierkeller unter der Mensa Wilhelmstraße. Und ich erinnere mich auch sehr gerne daran, wie ich heimlich Inge und Walter Jens dabei beobachtete, wie sie am Zettelkasten der Universitätsbibliothek für ihr neues Buch recherchierten. Ich fühle mich auch an den Zeitpunkt zurückversetzt, als ich die erste E-Mail über meinen Uni-Account schrieb und dabei das damals ganz neue Internet und seine Anfänge entdeckte. Übrigens traf ich zu diesem Zeitpunkt auch schon auf meinen Jahrgänger Boris Palmer, der als damaliger AStA-Verkehrsreferent das Nachbus-System „Nacht-Bussi“ für Tübingen erfand – und damals schon eine genauso große Klappe hatte wie heute. Positive und negative Erinnerungen wechseln sich in meiner Rückschau ab. Die beeindruckenden Inszenierungen im Landes- und im Zimmertheater sind mir genauso im Gedächtnis geblieben wie die bedrohliche Situation im Alten Botanischen Garten, als ich mit einem Messer bedroht und meines Geldbeutels beraubt wurde.
Wie hat Sie das Studium an der Universität Tübingen für Ihren Lebensweg geprägt?
Vor allem habe ich während meines Studiums meine heutige Frau kennengelernt. Das war in der Einschreibeschlange des Instituts für Politikwissenschaft. Darüber hinaus habe ich wunderbare Freundschaften fürs Leben geschlossen und beeindruckende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kennenlernen dürfen, auch in Fächern, in die ich nur ab und an hineinschnupperte – vor allem in Jura, Geschichte und Philosophie. Die legendäre Vorlesungsreihe „Menschenwürdig Sterben“ im Studium Generale mit Walter Jens und Hans Küng ist mir noch heute ebenso sehr präsent wie die beeindruckenden Vorlesungen von wissenschaftlichen „Silberrücken“ wie Theodor Eschenburg, Dieter Langewiesche oder Thomas Oppermann.
Gibt es etwas, was Sie hier in Tübingen im Studium gelernt haben?
Beim Studium der Politikwissenschaft haben mich vor allem Josef Schmid und Roland Sturm beeindruckt, die mir Schreiberling mit Fachkenntnis, Fleiß, Fußball-Metaphern und Humor in die Untiefen der Parteienforschung einführten und mich lehrten, dass ein waschechter Politologe zu Politikern genauso Distanz hält wie zu Journalisten. Darüber hinaus fesselten mich die grandiosen, packenden und begeisternden Literaturvorlesungen von Jürgen Wertheimer und Hans-Ulrich Kemper. Das alles prägt mich bis heute. Ich habe die Fähigkeit erworben, sehr schnell unbekanntes Terrain zu betreten und mich in fremde Themen einzuarbeiten, um sie schriftlich wie mündlich anderen verständlich aufzubereiten und zu vermitteln.
Was sind aktuell Ihre Herausforderungen als Pressesprecher des Sozialministeriums?
Die Herausforderungen sind seit über zwei Jahren von der Corona-Krise und parallel stattfindenden politischen Wahlkämpfen geprägt. Bei sich stetig ändernder Faktenlage mit fast täglich neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen müssen von uns zuverlässig und unter hohem Zeitdruck eine enorme Zahl an Fragen von Medien und Bürgerinnen und Bürgern beantwortet werden.
Wie haben Sie persönlich die vergangenen zwei Jahre erlebt?
Ich war quasi 24 Stunden an sieben Tagen der Woche „on alert“. Die Verrohung der Sprache in Politik und Gesellschaft hat enorm zugenommen. Das geht auch einem vermeintlich hartgesottenen, erfahrenen Kommunikator wie mir an die Nieren. Schmerzhaft ist es auch, die eruptiven Entwicklungen in der Medienlandschaft miterleben zu müssen: Es ist förmlich mit Händen zu greifen, unter welchem brutalen Druck viele Kolleginnen und Kollegen in Zeiten des Medienwandels, der Medienkonzentration und der schwindenden Auflage und Quote stehen.
Was hat Ihnen geholfen, während der Pandemie durchzuhalten? Wo sind Sie als Kommunikator an Ihre Grenzen gestoßen?
Tatsächlich waren das die Menschen selbst, die mich zum Durchhalten bewegt haben: meine Familie, meine engsten Freunde und nicht zuletzt mein grandioses Team in der Pressestelle des Ministeriums. Wir haben uns gegenseitig durch schwere Stunden und dunkle Tage getragen und gestützt.
Meine Grenzen erreiche ich, wenn mich Bürgerinnen und Bürger am Telefon erst gar nicht zu Wort kommen und argumentieren lassen, sondern nur anbrüllen – und dann auflegen. Auch wenn mitunter Journalistinnen und Journalisten wirklich jedes Argument unter den Tisch fallen lassen, das nicht zu ihrer fertigen These oder Geschichte passt, frustriert das natürlich.
Wie hat die Krisenkommunikation in der Pandemie funktioniert?
Ich bin der Auffassung, dass wir in Deutschland und gerade auch in Baden-Württemberg bisher ganz ordentlich durch diese Pandemie gekommen sind. Testen, Impfen, Verordnungen – wir haben Medien- und Bürgeranfragen nach bestem Wissen und Gewissen beantwortet, immer nach der Devise: korrekt, transparent, bürgerfreundlich und schnell. Zumindest war und ist das jeden Tag unser Anspruch – online und im direkten Gespräch, am Telefon, per Mail oder via Website. Aber natürlich machen auch wir Fehler und lernen jeden Tag dazu.
Was möchten Sie Studierenden heute mit auf den Weg geben?
Wählen Sie Ihr Studienfach nicht nach taktischen oder strategischen Motiven. Studieren Sie das, wofür Sie brennen. Und scheuen Sie sich nicht, den einmal eingeschlagenen Studiengang zu wechseln, wenn sich die Wahl als Fehler herausstellen sollte. Vor allem aber: Vergessen Sie nicht, dass es auch noch ein pralles, tolles Leben außerhalb der Uni gibt. Der Ernst des Berufslebens erreicht Sie noch früh genug.
Das Interview führte Christin Wannagat