Die weltweit höchstdotierte Auszeichnung in den Naturwissenschaften geht nach Tübingen: Der Mediziner Prof. Dr. Thomas Gasser erhält den mit drei Millionen US-Dollar dotierten „2024 Breakthrough Prize in Life Sciences“. Gemeinsam mit der Wissenschaftlerin Ellen Sidransky und dem Wissenschaftler Andrew Singleton wird er für die Entdeckung genetischer Risikofaktoren für die Parkinson-Erkrankung ausgezeichnet.
Thomas Gasser ist Vorstandsvorsitzender des Hertie-Instituts für klinische Hirnforschung an der Universität Tübingen und ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie mit Schwerpunkt Neurodegenerative Erkrankungen am Universitätsklinikum Tübingen. Zudem forscht er am Tübinger Standort des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).
„Die Universität Tübingen ist sehr stolz auf diese Würdigung für Thomas Gasser und seine Parkinson-Forschung“, sagte Professorin Dr. Karla Pollmann, Rektorin der Universität Tübingen. „Die Medizinische Fakultät Tübingen ist ein essentieller Teil der Universität und hervorragend über den Fachbereich hinaus interdisziplinär vernetzt. Es ist mir ein großes Anliegen, dass die klinische Forschung auch künftig hinreichend finanzielle Unterstützung findet.“
Von der Nervenerkrankung Parkinson sind in Deutschland mindestens 200.000 Menschen betroffen. Bei Betroffenen sterben aus bisher ungeklärten Gründen im Gehirn Nervenzellen ab, die den Botenstoff Dopamin produzieren. Der daraus folgende Dopaminmangel verursacht Bewegungsstörungen wie Zittern, verlangsamte Bewegungen, Muskelsteifheit und Gleichgewichtsstörungen. Im fortgeschrittenen Krankheitsstadium entwickeln manche Patientinnen und Patienten auch eine Demenz.
Thomas Gasser sowie Ellen Sidransky und Andrew Singleton (letztere forschen beide in den USA) fanden in den 2000er-Jahren heraus, dass Mutationen in bestimmten Erbanlagen das Risiko für Parkinson erhöhen. Einige lösen die Erkrankung sogar unweigerlich aus. Damit erweiterten sie das Verständnis der molekularen Mechanismen der Parkinson-Erkrankung und bereiteten den Weg für neue Therapie-Konzepte. Diese Befunde entstanden teils unabhängig voneinander, teils aber auch in Zusammenarbeit der Geehrten.
Die besagten Mutationen betreffen die Gene LRRK2 (ausgesprochen „LARK2“) und GBA1. „Jedes dieser Gene enthält den Bauplan für ein bestimmtes Enzym. Durch die Mutationen funktionieren diese Enzyme nicht optimal,“ erläutert Gasser. „Die Folgen sind gravierend. Denn LRRK2 ist an diversen Vorgängen innerhalb von Nervenzellen beteiligt; es sorgt unter anderem dafür, dass die Kraftwerke der Zellen korrekt funktionieren und Energie bereitstellen. Andererseits sind sowohl LRRK2 als auch GBA1 wichtig für das Recycling und die Beseitigung von Abfallprodukten des zellulären Stoffwechsels.“
Parkinson ist bislang nicht heilbar. Die Symptome lassen sich für einen gewissen Zeitraum recht gut behandeln und abmildern oder sogar über Jahre hinweg in Schach halten. „Die derzeit verfügbaren Therapien wirken allerdings nur symptomatisch und setzen nicht bei den Wurzeln der Erkrankung an. Deshalb können sie die Abbauprozesse im Gehirn nicht aufhalten und verlieren früher oder später ihre Wirkung“, so Gasser. „Aus unseren Befunden ergeben sich jedoch Ansatzpunkte für Behandlungen, die auf molekulare Ursachen abzielen und denen nachgegangen wird. Ich bin zuversichtlich, dass es eines Tages möglich sein wird, den Ausbruch der Parkinsonkrankheit zu verzögern oder zu verhindern oder zumindest ihr Fortschreiten zu verlangsamen.“
Antje Karbe
Der Breakthrough Prize wurde 2012 von den Sponsoren Sergey Brin, Priscilla Chan & Mark Zuckerberg, Julia & Yuri Milner und Anne Wojcicki begründet und ist mit drei Millionen Euro der weltweit höchstdotierte internationale Wissenschaftspreis, der jährlich verliehen wird. Er wird in verschiedenen Fachgebieten vergeben und würdigt diesmal auch bedeutende Fortschritte in der Therapie von Krebs und Mukoviszidose. Die feierliche Verleihung der aktuellen Preise findet am 13. April 2024 in Los Angeles (USA) statt. https://breakthroughprize.org