Von 21.-28. Dezember waren die Schriftsteller Friedrich Ani, Arne Dahl, Håkan Nesser und Wolfgang Schorlau zu Gast.
Kriminalroman, Detektivgeschichte, Roman Noir und Thriller galten lange als Trivialliteratur. Weder die Literaturgeschichte noch die gegenwärtige Literaturlandschaft rechtfertigen diese Einschätzung.
Schließlich kann eine ‚Poetik‘ der Kriminalgeschichte bis in die griechischen und biblischen Mythen hinein verfolgt werden. Dabei geht es um Psychologie und Soziologie des Verbrechens, eine Philosophie von Strafe und Sühne, um gesellschaftliche und ökonomische Konstellationen, pathologische Dispositionen, aber immer auch um die kluge Verwendung von Methoden und Theorien und eine überzeugende Interpretation von Zeichen und Indizien, es geht zudem um Phantasie, Intuition, Einfühlung und schließlich auch: um das Scheitern aller Versuche, das Verbrechen für immer aus der Welt zu schaffen.
Kain erschlägt Abel, Medea ermordet ihre Kinder, Ödipus erschlägt seinen Vater. So hat es das Schicksal oder die Vorsehung gewollt. Um diese Verbrechen aufzudecken, braucht man keinen Ermittler: Die Pest in Theben, nicht aufsteigender Rauch oder einfach Evidenz reichen aus, um die mythischen Gründungsverbrechen anzuzeigen. Erst viel später wird man sich fragen, ob der Mensch vielleicht nicht nur vom Schicksal dominiert ist, sondern etwa auch ein „Verbrecher aus verlorener Ehre“ werden kann: Mit den Medizinern Friedrich Schiller und Georg Büchner – und dessen armem Woyzeck – beginnt die Geschichte der Verbrechen, die verstanden und erklärt werden wollen. Das 19. Jahrhundert entdeckt die Psychologie, die Geschichte, die Philosophie und später die Soziologie des Verbrechens und erfindet den Detektiv gleich dazu: E.T.A. Hoffmann, Annette von Droste-Hülshoff, Edgar Allen Poe, William Wilkie Collins und Sir Arthur Conan Doyle schreiben die ersten großen Verbrecher- und Detektivgeschichten.
Es wird eine Erfolgsgeschichte, die sich im zwanzigsten Jahrhundert fortsetzt: Nicht umsonst ist Umberto Ecos philosophischer Bestsellerroman Der Name der Rose eine Detektivgeschichte. Die Welt ist voller Zeichen, die man deuten muss, aber nicht kann. Dazu braucht man den Ermittler und – nicht immer, aber oft – sein Team. Sie führen den Leser durch einen Urwald von Spuren, Berge von oft entsetzlichem Material, beängstigenden Hinweisen und tausenden von Hypothesen. Das zwanzigste Jahrhundert wimmelt von – mehr oder weniger melancholischen, mehr oder weniger trinkfesten, mehr oder weniger einsamen – Ermittlerfiguren: Conan Doyles Sherlock Holmes, Raymond Chandlers Philip Marlowe, Agatha Christies Hercule Poirot und Miss Marple, Fred Vargas’ Jean-Baptiste Adamsberg, Umberto Ecos William von Baskerville, Henning Mankells Wallander und Ian Rankins Inspektor Rebus könnten unterschiedlicher nicht sein. Aber eines haben alle gemeinsam: Sie sind großartige Spurenleser, Zeichendeuterinnen und Indizienspezialisten. Oft verfolgen sie – fast wider Willen – die Geschichte eines Verbrechens und die der Verbrecher, Mörderinnen und Dealer zurück bis in die Anfänge einer meist von Katastrophen gezeichneten Biographie. Ist der Fall gelöst, stellt sich kurze Erleichterung, aber keine Befriedung ein; dafür sind die Geschichten zu düster, die Zeiten zu grausam und die Ermittler zu verstört.
Friedrich Ani, 1959 in Kochel am See geboren, lebt heute als freier Schriftsteller und Drehbuchautor in München. Neben Kriminalromanen schreibt er Lyrik, Erzählungen, Jugendromane und Drehbücher. Nach dem Zivildienst in einem Heim für schwer erziehbare Jungen war Ani von 1981 bis 1989 Polizeireporter, danach Kulturjournalist und Drehbuchautor. Er ist Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste und des Internationalen PEN-Clubs. Er erhielt sieben Mal den Deutschen Krimipreis sowie den Adolf-Grimme-Preis und den Bayerischen Fernsehpreis. Sein Roman Der namenlose Tag (2015) wurde unter die zehn besten internationalen Kriminalromane des Jahres gewählt und von Volker Schlöndorff verfilmt.
Der einsame Engel (2016) ist Anis zwanzigster Roman um den melancholischen Ermittler Tabor Süden: Die Menschensuche ist der rote Faden, der sich durch das Werk des Autors zieht. „Tabor Südens Ermittlungen sind Erkundungen der Geheimnisse der Seele, seine Methoden sind Intuition, Empathie und eine Fragetechnik im Stil provokativer Intervention“ (Deutschlandfunk 9.2.16).
Arne Dahl – so das Pseudonym des schwedischen Schriftstellers Jan Lennart Arnald –, geboren 1963, lebt in Stockholm und Berlin, ist Literaturwissenschaftler und arbeitet für die Schwedische Akademie, die alljährlich den Nobelpreis vergibt. Er ist Herausgeber der Zeitschriften Artes und Aiolos und zudem Kritiker beim Göteborgs-Posten. Für seine Werke erhielt er mehrere internationale Preise, darunter auch den Deutschen Krimipreis in der Kategorie ‚International‘ für Falsche Opfer (2004) und Tiefer Schmerz (2005). Mehrere seiner Romane wurden für das Fernsehen verfilmt.
Arne Dahl hat ein großes Figurenensemble entwickelt, das im Team der ‚A-Gruppe‘ als Sonderermittlungsgruppe der schwedischen Polizei oder als operative Einheit der europäischen Polizeibehörde Europol über ganz Europa ermittelt, in Den Haag, New York, Stockholm und Cornwall und in einem weltumspannenden und undurchschaubaren Netz aus Intrigen um Finanzmagnaten, Politiker, Hacker, Mafia, Kinderpornografie und den G-20-Gipfel 2009. Mit dem Abschluss seiner A-Gruppe-Reihe, Bußestunde (2013), lieferte Dahl einen Roman, mit dem der Schwedenkrimi seinen „letzten Höhepunkt“ erlebe, einen Umbruch „von zumindest literatursoziologischem Rang“, wie Elmar Krekeler in der Welt konstatiert.
Sein Roman Sieben minus eins (2016) führt ein neues Ermittlerduo ein, ohne allerdings auch hier allein auf den klassischen Typus des melancholischen, einsamen Ermittlers zu setzen: „Mir wird immer klarer, dass ein einzelner Mann nutzlos ist, reine Platzverschwendung. Eine Frau alleine hat dagegen keine Probleme zu existieren. Deswegen gibt es in meinen Krimis immer Protagonistinnen“, so Dahl im Interview mit Anne Haeming. Sieben minus eins konstruiert „eine Etüde der Kälte, Finsternis allenthalben. An den ‚Randzonen des Lebens‘ operieren Psychowracks als zitternde Uhrmacher-Götter.“ (Die Zeit) Auch in seinem neuesten Roman, Sechs mal zwei (2017), müssen sich Molly Blom und Sam Berger nicht nur mit lange gelöst geglaubten Verbrechen beschäftigen, sondern auch mit gegenseitigem Misstrauen umzugehen lernen.
Håkan Nesser, geboren 1950, gilt heute als einer der wichtigsten Krimiautoren Schwedens. Er studierte zunächst Literaturgeschichte, Nordische Sprachen, Soziologie, Englisch, Geschichte und Philosophie an der Universität Uppsala, arbeitete nach einem Lehramtsstudium in den Fächern Schwedisch und Englisch als Gymnasiallehrer und ist seit 1998 freier Autor. Er lebt heute in London und auf Gotland.
Gemeinsam mit Henning Mankell, Arne Dahl und Stieg Larsson trug Nesser maßgeblich zum internationalen Renommee des Genres bei. Seine Romane um Kommissar Van Veeteren und Inspektor Barbarotti wurden ab den 1990er Jahren zu globalen Bestsellern. Die Verfilmungen der Van-Veeteren-Serie oder der Fälle Barbarottis, die insbesondere in der ARD ausgestrahlt wurden, machten ihn in Deutschland besonders bekannt. Er wurde mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, u.a. mit dem Schwedischen Krimipreis, dem Ripper Award und dem Palle-Rosenkrantz-Preis, sowie einer Ehrendoktorwürde der Universität Örebro. Sein 2015 erschienener neuer „Stadt“-Roman Elf Tage in Berlin erzählt von einem, der seine verstorben geglaubte Mutter sucht und dabei ungewöhnliche Hilfe bekommt.
Nesser gelingt es immer wieder, die Strukturen des Genres weiterzuentwickeln und Bedeutendes „ohne Bedeutungshuberei“ in unscheinbaren Erzählungen zu verbergen (Die Zeit). Als herausragender Stilist erschafft er scheinbar mühelos atmosphärische, fein ausbalancierte Plots. Deshalb, und auch, weil viele seiner Protagonistinnen und Protagonisten philosophische Affinität und Expertise aufweisen, gilt er als „Philosoph unter den schwedischen Krimiautoren“, so Hannes Hintermeier in der FAZ. Seine Texte stellen nicht nur obligatorische Fragen nach Recht und Gerechtigkeit, Schuld und Sühne in Bezug auf konkrete Verbrechen, sondern fungieren zugleich immer auch als Reflex auf eine saturierte und zugleich anfällige und brüchige Gesellschaft, die Nesser mit scharfem Blick einer genauen Analyse unterzieht.
Wolfgang Schorlau, geboren 1951, absolvierte eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann, war Teil der Lehrlingsbewegung und Manager eines Softwareunternehmens, bevor er mit 50 Jahren Schriftsteller wurde. Seitdem wurden mehrere seiner Romane zu Bestsellern. Heute lebt Schorlau, wie sein Protagonist Dengler, als politischer Krimiautor in Stuttgart.
Insbesondere sein neuestes Werk Die schützende Hand (2015), das den achten Teil seiner Dengler-Reihe darstellt und im Umfeld der neonazistischen Terrorgruppe NSU spielt, wurde viel und kontrovers besprochen. In seinen Werken, deren Handlung in realen Kontexten situiert ist, verschwimmen zum Teil die Grenzen von Faktizität und Fiktionalität, das Reflexionsvermögen der Leserinnen und Leser herausfordernd.
„Es geht bei Schorlau nie um den abartig bösen Einzeltäter wie in vielen skandinavischen Krimis. Es geht nicht um Überwindung des Systems, es geht um Beschreibung abartiger Auswüchse dieses Systems“, so schreibt Peter Unfried in der taz. Seine Texte zeichnen sich dabei durch eine aufwendige Recherche aus, die sich auch in für das Genre ungewöhnlichen Fußnoten und Quellenverzeichnissen in manchen seiner Texte niederschlagen.
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