Fachgebiet: Neuere und Neueste Geschichte, Zeitgeschichte
Nur wenige Jahre nach dem Ende des Kalten Kriegs geriet die Ordnung westlicher Gesellschaften in den Sog einer neuen umfassenden Bedrohungswahrnehmung, die von der Vorstellung der ‚Globalisierung‘ ausging. Der Gedanke, dass sich die Regionen der Welt immer enger miteinander verflöchten, erlebte in den neunziger Jahren in den USA, Großbritannien und der Bundesrepublik (wie in zahlreichen anderen Ländern) einen geradezu unwiderstehlichen Durchbruch. In der medialen und akademischen Debatte schien die Globalisierung folgenreiche Entwicklungen in ganz unterschiedlichen Lebensbereichen zu erklären – vom Klimawandel über Migrationen bis hin zu den Operationen multinationaler Unternehmen. Der Globalisierungsgedanke wurde aber auch politisch handlungsleitend. Die Regierungen Bill Clintons, Tony Blairs und Gerhard Schröders fanden in ihm das konzeptionelle Zentrum ihrer politischen Aufbrüche. Ihre innenpolitischen Reformmaßnahmen und außenpolitischen Neupositionierungen begründeten sie entscheidend mit dem Hinweis auf die unausweichlichen Notwendigkeiten, mit denen die globalisierte Welt die Nationalstaaten konfrontiere. Seit Mitte der neunziger Jahre wurde daraufhin die Frage, welche Imperative es aus der Globalisierung abzuleiten gelte, zum Gegenstand heftiger Debatten. An ihnen beteiligten sich auch transnationale Akteure wie die internationalen Finanzorganisationen oder die sogenannte Antiglobalisierungsbewegung. Diese Auseinandersetzungen waren von einer intensiven Bedrohungskommunikation durchzogen, in der alle Seiten auf existenzielle Gefährdungen verwiesen. Dabei spielten verschiedene Bedrohte Ordnungen ineinander – die Ordnung der Wirtschaft, des Sozialstaats, des Nationalstaats oder der Staatenwelt –, so dass komplexe Prozesse der synchronen Interdependenz in den Blick rücken.
Das Teilprojekt geht der Frage nach, wie der Globalisierungsdiskurs und die ihm innewohnenden Vorstellungen Bedrohter Ordnungen die politische Gegenwartsdeutung und das politische Handeln in den USA, Großbritannien und Deutschland während der neunziger und frühen zweitausender Jahre formten. Damit beleuchtet es den Vorgang der Mobilisierung von Praktiken und Ressourcen, mit denen gegen eine Bedrohung vorgegangen werden sollte (Projektbereich F), wobei insbesondere alarmierende Bedrohungstopoi und Identitätsnarrative im Fokus stehen. Mit einer Kombination politik-, wirtschafts- und ideengeschichtlicher Perspektiven untersucht es zwei besonders bedeutsame Vorhaben der neunziger Jahre: die Ausweitung des Freihandels, wie sie von der Clinton-Regierung und der Welthandelsorganisation vorangetrieben und von der ‚Antiglobalisierungsbewegung‘ bekämpft wurde, sowie die Reformen der Sozial- und Arbeitsmarktpolitik in Großbritannien und Deutschland.