mit dem Beginn des neuen Jahres liegen die ersten zwei Jahrzehnte des 21. Jahrhunderts hinter uns. Blickt man auf die vergangenen 20 Jahre zurück, so fällt die ungewöhnliche Häufung von internationalen, teils sogar globalen Krisen auf: die Finanz- und Eurokrise, die Flüchtlingskrise, langfristig die Klimakrise und ganz aktuell die Corona-Krise. Die Welt ist aus den Fugen, so scheint es zumindest. Mehr als deutlich ist jedenfalls, dass angesichts der Vielzahl von Krisen selbst leistungsfähige Staaten mit einer wohlhabenden Gesellschaft an ihre Grenzen kommen.
In einer solchen Situation ist unser nachdrückliches Engagement das Gebot der Stunde, insbesondere für eine international aktive Forschungsuniversität wie Tübingen. Wir müssen lernen, außergewöhnliche Herausforderungen und Probleme als eine unserer Kernaufgaben zu betrachten. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Tübingen arbeiten an der Lösung globaler Probleme und sie sind oft führend in ihren Forschungsfeldern: die Beseitigung des Hungers, die Entwicklung umweltschonender Werkstoffe, die Entdeckung neuer Antibiotika, der Kampf gegen die Auswirkungen des Klimawandels – und Vieles mehr.
Dabei sollten wir der Gesellschaft jederzeit verlässliche und überprüfbare Erkenntnisse anbieten, selbst wenn sie auch unerfreuliche Aspekte enthalten sollten. Die Arbeit von Universitäten ist langfristig angelegt. Grundlagenforschung zahlt sich oft erst nach vielen Jahren und Jahrzehnten aus. Das Bild von der Forscherin oder dem Forscher, die über Nacht im Labor geniale Lösungen für komplexe Probleme erfinden, taugt allenfalls für Filmkomödien, aber nicht für die Realität. In den vergangenen Wochen und Monaten wurde in der Öffentlichkeit mit Staunen zur Kenntnis genommen, dass es in weniger als einem Jahr gelungen ist, gleich mehrere Impfstoffe gegen das Corona-Virus zu entwickeln und zum Einsatz zu bringen. Dabei wurde meist übersehen, dass die entscheidenden wissenschaftlichen Grundlagen für die innovativen mRNA-basierten Impfstoffe bereits vor über 20 Jahren hier in Tübingen gelegt wurden.
Die Universität ist – wie bereits gesagt – Teil einer Gesellschaft, die sich einer Vielzahl von enormen Herausforderungen gegenübersieht, im Großen wie im Kleinen. Über die Lösung der großen Menschheitsfragen darf man die alltäglichen Probleme allerdings nicht vergessen. Wer keine verlässliche Kinderbetreuung hat oder fehlenden Schulunterricht zu Hause ersetzen muss, kann nicht die erhofften wissenschaftlichen Erkenntnisse liefern. Dennoch dürfen wir auch in Krisenzeiten nicht unsere zentrale Mission aus dem Blick verlieren: Die Universität Tübingen will für die Gesellschaft einen Nutzen stiften, durch exzellente Forschung und die Ausbildung von hervorragenden Studierenden.
Viel Vergnügen bei der Lektüre des Newsletters und weiterhin alles Gute und Gesundheit wünscht Ihnen
Ihr
Professor Dr. Bernd Engler, Rektor