Uni-Tübingen

Adventskalender 2016

Schätze aus der Universitätsbibliothek und dem Universitätsarchiv

22. Dezember: Philipp Melanchthon in Tübingen

Zwei eigenhändige Textzeugnisse (Universitätsbibliothek)

Der oft als „Praeceptor Germaniae“ (Lehrmeister Deutschlands) bezeichnete Humanist, Gelehrte und Reformator Philipp Melanchthon (1497-1560) war der bekannteste und wichtigste Freund Martin Luthers. Melanchthon ist seit seinen Studienjahren, die er überwiegend an der Universität Tübingen verbrachte, durch zahlreiche Veröffentlichungen hervorgetreten. Seine Arbeiten umfassten Werke zur griechischen und lateinischen Philologie, Arbeiten zur Rhetorik und zu philosophischen und theologischen Fragestellungen. Als sein bis heute bedeutendstes Werk gelten die „Loci communes rerum theologicarum seu hypotyposes theologicae“ (Grundbegriffe der Glaubenslehre) – eine protestantische Dogmatik, die erstmals 1521 im Druck herauskam und von Melanchthon später selbst übersetzt wurde.

Die Universitätsbibliothek Tübingen besitzt zwei Exemplare der deutschen Übersetzung dieses Werks aus den Jahren 1555 und 1558, die von besonderem Wert und Bedeutung sind. In ihnen hat Melanchthon den damaligen Besitzern dieser Bände zur Erinnerung an ihren theologischen Lehrer längere Texte eingetragen, die weit über das hinausgehen, was man heute als „Widmung“ bezeichnen würde. In einer zweiseitigen Eintragung in deutscher Sprache nimmt Melanchthon Bezug auf eine Textstelle aus dem Kolosserbrief (3, 16) und schreibt hierzu eine kurze Auslegung, die er offensichtlich mehrfach für solche Zwecke verwendet hat. In dem sich über fünf Seiten erstreckenden lateinischen Eintrag behandelt Melanchthon ein griechisches Zitat zur Erscheinung des Herrn (Epiphanias). Er bestätigt selbst, dass die Eintragung von ihm selbst vorgenommen worden ist („Scriptum manu Philippi Melanthonis“). Joachim Camerarius, ein früher Biograph Melanchthons, berichtet, dass dieser häufig solche Eintragungen in Büchern seiner Schüler vorgenommen hat. Dieser in der Mitte des 16. Jahrhunderts bei Luther, Melanchthon und anderen Wittenberger Gelehrten aufgekommene Brauch stellt gewissermaßen eine Vorform der später in Mode gekommenen Stammbücher dar.

Signatur UB:

Gf 298.4 und Gf 299.4

Literatur: