Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2010: Forschung

Faszination Archäometrie

Im Interview erklärt Prof. Dr. Ernst Pernicka, Direktor des Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, warum naturwissenschaftliche Methoden in der Archäologie zunehmend an Bedeutung gewinnen.

Drei Fragen an Ernst Pernicka

Herr Prof. Pernicka, wie kommt man zur Archäometrie?

Das war nicht von Anfang an mein Ziel. Nach dem Chemiestudium wollte ich jedoch nicht in die Großindustrie, und damals war an der Universität Wien eine halbe Stelle zur Alters- und Herkunftsuntersuchung mittelalterlicher Keramik ausgeschrieben. Das war für einen Doktoranden zu der Zeit ein ungewöhnlich gutes Angebot. Für Kunst habe ich mich schon immer interessiert, also Kunst und Chemie verbunden. Ich habe dann ein Labor für die Thermolumineszenzdatierung archäologischer Keramik bei Wien aufgebaut. In meiner Postdoc-Zeit am Max-Planck-Institut für Kernphysik in Heidelberg habe ich neben Geo- und Kosmochemie auch in der Archäometallurgie geforscht, zum Beispiel die Herkunft von griechischem Münzsilber untersucht. 1997 wurde ich an den in Deutschland ersten Lehrstuhl für Archäometallurgie an der TU Bergakademie Freiberg berufen, 2004 an die Universität Tübingen. Im gleichen Jahr wurde auch das Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie gegründet.

Was ist denn so interessant an altem Metall?

Schon vor rund 200 Jahren hat man erkannt, dass die Nutzung der Werkstoffe Holz, Stein und Metall eine grobe Einteilung der Kulturgeschichte des Menschen vorgibt: Auf die Steinzeit folgten die Metallzeiten mit Kupfer, Bronze und Eisen, heute ist Silizium wichtig. Aber wir wissen immer noch wenig darüber, wie der Mensch vor langer Zeit darauf gekommen ist, Metall zu verwenden. Metalle sind gegenüber Stein zäh und formbar und besitzen einen ästhetischen Reiz, aber sie sind nicht leicht zu gewinnen. Es ist noch nicht klar, welche Metalllagerstätten die Menschen genutzt haben. Aus dem Altertum sind viele Metallobjekte aus Gegenden bekannt, wo es den Rohstoff gar nicht gab. Da können die Archäometallurgie und Archäometrie wichtige Erkenntnisse über das Leben der Menschen und die Wirtschaftweisen der damaligen Gesellschaften beisteuern.

In welchem Bereich entwickelt sich die naturwissenschaftliche Archäologie am schnellsten weiter?

Bei den Naturwissenschaften insgesamt wurden große Fortschritte erst in der Physik erreicht, sehr vereinfacht war das 19. Jahrhundert dann das Jahrhundert der Chemie, das 20. Jahrhundert das der Biologie. In der Naturwissenschaftlichen Archäologie ist diese Entwicklung über die vergangenen 50 Jahre gelaufen: Begonnen hat sie mit Datierungsmethoden aus der Physik, dann folgte die Chemie mit Materialanalysen, nun haben die molekularbiologischen Methoden einen enormen Aufschwung gebracht. Die biologische Entwicklung des Menschen lässt sich bis hin zu Familienstrukturen aufklären, Wanderungen von Menschengruppen nachvollziehen. Das bringt spektakuläre Fortschritte.

Aber auch bei den isotopengeochemischen Methoden zur Alters- und Herkunftsbestimmung ist das Ende der Entwicklung noch nicht erreicht. Außer bei Kohlenstoff können wir Isotopenanalysen inzwischen auch von Osmium, Strontium, Zinn und Kupfer gewinnbringend auf archäologische Objekte anwenden. Und selbst bei den Kohlenstoffisotopenanalysen kommen wir noch weiter. Vor 50 Jahren brauchten wir ein Gramm Kohlenstoff, bald wir es weniger als ein Milligramm sein. Früher benötigten wir ein Holzstück für unsere Analysen, dann ein Samenkorn, jetzt nur noch eine Aminosäure aus einem Samenkorn.

Die Fragen stellte Janna Eberhardt