Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2010: Leute

Ein Leben für die Musik

Zum Tode von Helmut Calgéer ein Nachruf von Alexander Sumski

Die Musik war für Helmut Calgéer, den Gründer und langjährigen Leiter des Kulturreferats der Universität Tübingen, die Kurzschrift aller seiner Gefühle und löste alle Rätsel seines Daseins. Musik lieben, hieß für ihn, das Leben zu lieben, seine Familie, seine Frau Hildegard, seine Kinder, die Kinder der Kinder und die Urenkelkinder. Und er liebte das Leben in allen Facetten: Gute Speisen, das Bier und den Wein und seinen von Hildegard liebevoll gepflegten Garten. Und er liebte interessante, aktuelle und manchmal provozierende Gespräche mit seinen Freunden im Wohnzimmer mit Blick zu den blühenden Rosen.

Ohne Liebe kann man vielleicht Holz hacken, Ziegel formen, Eisen schmieden, sagt Tolstoi, aber mit Menschen kann man nicht ohne Liebe umgehen. Der Zauberstab war Helmut Calgéer gegeben und er wusste ihn zu gebrauchen.

Helmut Calgéer verstand es als Dirigent und Manager die schwierigsten Situationen virtuos zu meistern. Auf den Auslandsreisen war er zugleich Reiseleiter und Seelentröster, Krankenpfleger und Musiker in leitender Verantwortung. Auf unberechenbare Situationen reagierte er stets als Lebenskünstler – niemals in Panik, immer handlungsorientiert, auch auf unkonventionelle Lösungen bedacht, verlässlich, kompetent und gutgelaunt. Seine Fähigkeit, sich zu freuen und zu begeistern über ein gelungenes Konzert, über die Highlights im Tourismusprogramm, über eine gute Mahlzeit, all dies ließ für den Beobachter deutlich spürbar werden, wie lebendig er am Gelingen des Ganzen wirkte.

Seine zahlreichen Auslandsreisen hielten ihn jedoch nicht davon ab, zu Hause das Konzertleben zu initiieren und zu organisieren. Bereits 1951 gründete Calgéer als Kulturreferent des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) der Universität Tübingen das Kulturreferat und begann regelmäßig Konzerte im Festsaal der Neuen Aula zu organisieren. Das Kulturreferat leitete er 51 Jahre lang und baute diese studentische Einrichtung in ein "Kulturreferat der Universität" um. Und er startete die bis heute erfolgreiche Reihe der Abonnement-Konzerte und der Kreuzgangkonzerte in Bebenhausen. Die von Helmut Calgéer aufgebaute einmalige Konstruktion – Universität, Museumsgesellschaft und Stadt – sicherte über fünf Jahrzehnte hinweg ein abwechslungsreiches und aufregendes Musikleben in Tübingen unter Mitwirkung großer Ensembles, Solisten und Dirigenten.

Helmut Calgéers große Liebe zu seinem Beruf als Lehrer und Schulleiter hat ihn auch stets motiviert, seine unerschöpfliche Fantasie zum Wohle seines Lieblingskinds, der Tübinger Musikschule, einzusetzen. Vor 50 Jahren hat er am Tübinger Kepler-Gymnasium den Grundstein des organisierten Instrumentalunterrichts und der Ensemblearbeit gelegt und den Ablauf des Lehrbetriebs in den zeitlich nur beschränkt zur Verfügung stehenden Klassenzimmern gesichert. Heute ist die Tübinger Musikschule in der ehemaligen Waldorfschule untergebracht und verfügt über die besten aller vorstellbaren Bedingungen für Unterricht, Proben und Konzerte. Einen besonderen Akzent setzte Helmut Calgéer auf das Musizieren im Ensemble nach dem von ihm verkündeten Prinzip: "Für mich hat alle instrumentale Unterweisung letztendlich das Ziel des Zusammenspiels in kleinen und größeren Formationen" – ein glänzendes Beispiel für seine sozialorientierte musikalische Pädagogik.

An die enge Zusammenarbeit mit Helmut Calgéer und an viele gemeinsam verwirklichte Initiativen erinnere ich mich gerne und in großer Dankbarkeit. Nicht weniger lebendig bleiben mir in Erinnerung die geselligen Abende nach den Konzerten im Hause Calgéer, denn er war nicht nur ein großartiger Förderer der Musik, sondern er förderte intensiv immer auch das soziale Leben in unserer Stadt.

Helmut Calgéer hat ein glückliches, volles Leben geführt: Er war glücklich, anderen stets mehr zu geben, als er von ihnen nahm. Seine meisterhafte Geschicklichkeit bestand nicht darin, dass er tun konnte, was er wollte, sondern darin, dass er immer wollte, was er tat – für andere. So ließ Helmut Calgéer in uns und um uns herum Wertvolles zurück, mit dem sich die Räume füllen, in denen er gewirkt hat, etwas das ist und auch nicht ist, aber noch lange besteht.

Professor Dr. Alexander Sumski