Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2011: Forschung

Hohe DFG-Förderung für Niels Birbaumer

1,5 Millionen Euro für ein Reinhart-Koselleck-Projekt – Thema ist das „Lernen von Hirnkommunikation“

Das Tübinger Institut für Medizinische Psychologie und Verhaltensneurobiologie kann in den nächsten fünf Jahren weiterhin „in hohem Maß innovative“ und „im positiven Sinn risikobehaftete Projekte“ vorantreiben. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat dem Leiter des Instituts, Professor Dr. Niels Birbaumer, aus Mitteln, die speziell für solche Projekte gedacht sind, 1,25 Millionen Euro und eine Programmpauschale von 250.000 bewilligt. Die sogenannten Reinhart-Koselleck-Projekte werden nur Wissenschaftlern zugesprochen, die „durch besondere wissenschaftliche Leistung“ ausgewiesen sind.


Birbaumer will in dem Projekt grundsätzlichen Fragen der klinischen Neurologie nachgehen und dabei an konkreten Fällen aus der Praxis Wege zu möglichen Therapiekonzepten bahnen. Eine seiner Fragen ist: Welche Lernstrategien helfen am besten, zwanghaft wiederholte, destruktive oder selbstzerstörerische Handlungsweisen zu verändern? Experimente haben Birbaumer und seine Mitarbeiter bereits mit Schwerverbrechern in Strafanstalten gemacht. Sie sind von der These ausgegangen, dass bei vielen dieser Menschen Furcht-Reaktionen nicht funktionieren. Der neurologische Ansatz ist nun, die Aktivität von mit der Furcht verbundenen Arealen des Gehirns mit solchen Probanden zu trainieren. Bei Pädophilen versuchen die Wissenschaftler, deren zwanghafte Neigung zu dämpfen und kontrollierbar zu machen. Eingesetzt wird dabei unter anderem eine Methode des Bio-Feedback, bei dem die Probanden ihre eigenen Hirnsignale beobachten und zu beeinflussen lernen können.


In anderen Fällen versuchen die Forscher, emotionale Reaktionen und die damit verbundenen Hirnsignale zur Kommunikation zu nutzen, etwa bei Menschen im Wachkoma oder solchen mit der Muskellähmung Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), die, bei weitgehend intaktem Gehirn, nach außen nicht mehr kommunizieren können. Doch ihr Gehirn reagiert unterschiedlich auf Fragen, die mit Ja oder Nein beantwortet werden können. Mit Computerunterstützung versuchen Birbaumer und seine Mitarbeiter, diese Ja- und Nein-Reaktionen zu trainieren und die Signale mit verschiedenen Mitteln, unter anderem Laser-unterstützter Beobachtung des Blutflusses, so zuverlässig wie möglich abzulesen. „Lernen von Hirnkommunikation“ nennt Birbaumer das, und so heißt es auch im Projekttitel: „Klassisches und instrumentelles Lernen von Hirnkommunikation und neuronaler Konnektivität“.


Rainer Klüting