Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2013: Leute

Ein außergewöhnlich begabter Jurist

Zum Tode von Professor Dr. Joachim Vogel ein Nachruf von Jörg Kinzig

Durch einen tragischen Unglücksfall verstarb am 17. August 2013 im Alter von nur 50 Jahren der frühere Tübinger Strafrechtslehrer Joachim Vogel.


Joachim Vogel war ein außergewöhnlich begabter Jurist. 1963 in Gießen geboren, studierte Vogel nach seinem Abitur, das er im Jahre 1982 in Oberkochen mit einem Notendurchschnitt von 1,0 ablegte, in Freiburg Rechtswissenschaft. Dort absolvierte er als Landesbester die Erste juristische Staatsprüfung. Nach einer „summa cum laude“ bewerteten Promotion zu einem strafrechtsdogmatischen Thema und ebenfalls glänzend bestandener Zweiter Juristischer Staatsprüfung wurde Vogel im Jahre 1999 in Freiburg mit einer Schrift zum Betrugsstrafrecht habilitiert. Noch im selben Jahr wurde er auf eine Professur an der Universität München berufen, kurz darauf wechselte Vogel auf einen Lehrstuhl für Strafrecht und Strafprozessrecht an unsere Tübinger Fakultät. Dieser hielt er trotz eines weiteren Rufs an die Universität zu Köln die Treue, bis er sich im Jahr 2012 mit der Übernahme einer Professur in München einer neuen Herausforderung stellte. Während seiner Tübinger Zeit war Vogel Prodekan und anschließend auch Dekan (2005 bis 2008). Für die Interessen seiner Fakultät konnte er sich vehement einsetzen, kämpfte dabei aber stets mit offenem Visier.


Das wissenschaftliche Werk Joachim Vogels lässt sich in seiner Vielfalt und seinem Ideenreichtum nur schwer erfassen. Dies ist auch auf seine unglaubliche Schaffenskraft zurückzuführen. Seine beiden großen Forschungsschwerpunkte lagen in der Europäisierung des Straf- und Strafprozessrechts sowie dem Wirtschaftsstrafrecht, jeweils unter Einbeziehung kriminalpolitischer Fragen. Beispielhaft ist der Titel seiner Tübinger Antrittsvorlesung aus dem Jahre 2002 über „Europäische Kriminalpolitik – europäische Strafrechtsdogmatik“ zu nennen. Sein besonderes Interesse auch für die Grundlagen seines Fachs zeigte sich etwa in einem beeindruckenden Vortrag über „Einflüsse des Nationalsozialismus auf das Strafrecht“ auf der Strafrechtslehrertagung 2003 in Bayreuth. In diesem Referat, das ihm große Anerkennung seiner Kolleginnen und Kollegen einbrachte, warf Vogel auch die Frage nach der Verantwortung der deutschen Strafrechtslehre in dieser dunklen Zeit auf.


Joachim Vogels bisherige Aktivitäten hätten bereits mühelos ein ganzes Wissenschaftlerleben gefüllt. So war er nicht nur Mitherausgeber und Redakteur renommierter wissenschaftlicher Zeitschriften, sondern auch für unzählige, auch internationale Vereinigungen tätig. Kurz vor seinem Tod wurde er noch zum Vorsitzenden der Deutschen Landesgruppe der Internationalen Strafrechtsvereinigung gewählt und als ordentliches Mitglied der Akademie der Wissenschaft und der Literatur Mainz aufgenommen. Ein weiteres zentrales Anliegen Vogels war die Verbindung von Wissenschaft und Praxis. Dies kam vor allem in seiner Tätigkeit im zweiten Hauptamt als Richter am Oberlandesgericht, zunächst in Stuttgart, später in München, zum Ausdruck.


Joachim Vogel war zudem ein begeisterter und zugleich begeisternder Lehrer, dem die Studierenden und die Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses sehr am Herzen lagen. In seinen Vorlesungen gelang es ihm mit ausgefeilter Rhetorik zu zeigen, wie lebendig Rechtswissenschaft sein kann. Trotz seines Tatendranges und seines unermüdlichen Einsatzes für die Wissenschaft waren ihm seine Frau und seine drei Kinder von größter Bedeutung. Ihnen gilt unser ganzes Mitgefühl.