Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2017: Forschung

Drei EU-Starting Grants für Tübingen

Förderung über fünf Jahre mit jeweils rund 1,5 Millionen Euro

Drei Starting Grants des Europäischen Forschungsrats (European Research Council, ERC) sind von Wissenschaftlern der Universität Tübingen eingeworben worden.


Der Paläoanthropologe Dr. Radu Iovita vom Institut für Ältere Urgeschichte und Quartärökologie geht in seinem Projekt „A Silk Road in the Palaeolithic: Reconstructing Late Pleistocene Hominin Dispersals and Adaptations in Central Asia“ (PALAEOSILKROAD) auf die Suche neuer Fundstellen früher Menschen entlang der Seidenstraße in Kasachstan, die Aufschluss über die steinzeitliche Besiedlung Zentralasiens geben sollen. Die Wissenschaftler erhoffen sich Aufschluss, wie Menschen in der Region die Klimaschwankungen während der Eiszeitzyklen überlebten und inwiefern die Ausbreitung von Gletschern und Wüsten zur Zerstreuung in verschiedene Bevölkerungsgruppen oder ihren Zusammenschluss beitrug. „Dies könnte uns neue Erkenntnisse bringen, wie sich der Mensch auf der Erde verbreitete und wie er Umwelt-Herausforderungen meisterte“, sagt er. „Vor allem würden wir gerne verstehen, wie wir, Homo sapiens, es zur einzigen überlebenden Art unserer Gattung geschafft haben.“

Der Mediziner Dr. Surjo Soekadar, Angewandte Neurotechnologie und Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie), erforscht im Rahmen des Projekts „Building Next-Generation Brain/Neural-Machine Interfaces for Restoration of Brain Functions“ (NGBMI) den klinischen Einsatz von sogenannte Gehirn-Computer-Schnittstellen. Mit diesen lassen sich elektrische, magnetische oder metabolische Hirnaktivität direkt in Steuersignale externer Geräte übersetzen, beispielsweise Roboter, Computer oder Prothesen. Der Mediziner hatte in einer Studie gezeigt, dass Querschnittsgelähmte mit vollständiger Fingerlähmung durch ein hirngesteuertes Hand-Exoskelett wieder selbstständig essen und trinken können. Dabei wies er auch nach, dass der regelmäßige Einsatz eines solchen Systems zu spezifischen Umbauvorgängen des Gehirns und Rückenmarks führen kann, die Erholungsprozesse nach Schlaganfall oder Rückenmarksverletzungen begünstigen. Im Rahmen des ERC-Forschungsprojekts will Surjo Soekadar diese Technologie nun weiterentwickeln, um bestimmte Hirnfunktionen zu verbessern oder wiederherzustellen, die bei neurologischen und psychiatrischen Erkrankungen, wie beispielsweise Depressionen, Angst- und Zwangsstörungen oder dementiellen Syndromen, gestört sind.

Der Pflanzengenetiker Chang Liu untersucht die dreidimensionale Struktur der pflanzlichen DNA und deren Auswirkungen auf die Funktion der Zelle.


Wenn man die DNA aus dem Kern einer Pflanzenzelle der Länge nach hinlegen würde, wäre sie mehrere Meter lang. Tatsächlich ist sie aber so eng gefaltet und gepackt, dass sie in den Kern mit einem Durchmesser von wenigen Mikrometern passt – das sind millionstel Meter. Die gepackte DNA, die mit weiteren Molekülen wie zum Beispiel Proteinen und RNAs assoziiert ist, nennt man Chromatin. In der lebenden Zelle hat das Chromatin bei genauerem Hinsehen eine dreidimensionale organisierte Struktur.

„Diese Struktur bestimmt, welche Gene gerade aktiv sind und abgelesen werden, was wiederum entscheidend für die Zellfunktionen ist“, erklärt Chang Liu. An tierischen Zellen seien diese Vorgänge bereits weitergehend erforscht. „Bei Pflanzenzellen ist noch wenig bekannt. Das liegt auch daran, dass die pflanzenspezifischen Faktoren, die das Chromatin falten und strukturieren, nicht so gut erforscht sind.“


In seinem Projekt CHROMATADS möchte Liu diese Wissenslücken schließen. Er arbeitet mit Hightech-Methoden an der Schnittstelle von Molekularbiologie und Informatik. Das Forschungsgebiet verspricht neue Erkenntnisse in der funktionellen Pflanzengenomik, über die Chromatinstruktur und die Regulierung der Transkription, der Ablesung der Gene, in Pflanzenzellen.


Alle drei Wissenschaftler erhalten über einen Zeitraum von fünf Jahren jeweils 1,5 Millionen Euro für ihre Forschung.