Drei Tage pro Woche war die Studentin im Tairawhiti Museum tätig. Dort fand sie vor allem den Umgang mit den Taonga (Kulturgütern) bemerkenswert. Ein Poupou wie das von Hinematioro sei ein Abbild und zugleich eine Verkörperung der Ahnen, erklärt Lüderitz. „Darin sind ihre Energie und ihr Sein.“ Entsprechend werden Poupous respektvoll behandelt wie ein menschliches Gegenüber. Zu manchen Stücken müsse zunächst auch über eine gebetsartige Formel (Karakia) in Beziehung getreten werden. Dass es bestimmte Protokolle zu beachten gilt, sei im Tairawhiti Museum allen bewusst, auch den Beschäftigten, die keine Maori sind. In Neuseeland seien viele Taonga nur Leihgaben, auf die die Museen für eine bestimme Zeit aufpassen dürfen.
In vielen Gesprächen hat Lüderitz ausgelotet, wie eine kultursensible Ausstellung von Taonga gelingen kann. „Ich finde es wichtig, dass eine Tradition von denjenigen erklärt wird, die sie leben, und nicht von irgendwelchen Leuten hier, die drei Texte dazu gelesen haben,“ sagt sie. Unabdingbar sei auch, die Provenienzen von Ausstellungsstücken zu klären und die Maori-Communitys einzubinden, aus denen die Objekte kommen – und diesen die Entscheidung zu überlassen, was erzählt wird. Diese Art der dekolonialen Museumsarbeit sei aufwändig, meint die Studentin, aber nur so könne man den Menschen und ihrer Kultur gerecht werden.
Zwei weitere Tage pro Woche verbrachte Naomi Lüderitz im „Centre of Excellence“, einer Art Kulturzentrum, wo sie viel über Bräuche und Geschichte(n) der Maori erfuhr. Auch bei Ausflügen, etwa Besuchen im Marae (Versammlungsgelände) und Veranstaltungen dort, konnte Lüderitz viele Facetten ihrer Kultur kennenlernen. Ein Iwi, also eine Maori-Community wie die Te Aitanga a Hauti in Tolaga Bay, definiere sich als Gruppe vor allem über die Genealogie, erklärt Lüderitz, auch wenn diese verkürzte Definition die Bedeutung eines Iwi nur unzureichend beschreibe. Hinematioro, eine zentrale Führungsfigur des Iwi im 18./19. Jahrhundert, sei noch heute in Geschichten, Liedern und Tänzen präsent.