Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 4/2010: Studium und Lehre
Exkursion in das Zentralarchiv des Jesuitenordens
Historisches Seminar der Universität Tübingen geht neue Wege in der Lehre
In das römische Zentralarchiv des Jesuitenordens führte eine Lehrveranstaltung Anfang Oktober 20 angehende Historiker der Universität Tübingen. Möglich wurde diese ungewöhnliche Kombination aus Seminar und Exkursion durch eine Kooperation zwischen dem Zentralarchiv, lateinisch „Archivum Romanum Societatis Jesu“, und der Abteilung für Neuere Geschichte des Historischen Seminars der Universität Tübingen. Zur Vorbereitung hatten die Tübinger Studierenden bereits im Sommersemester 2010 eine Übung zum Thema „Rom, die Jesuiten und der europäische Katholizismus im Zeitalter des Barock“ belegt.
Vor Ort in Rom wurden an den Vormittagen Seminarsitzungen in den Schulungsräumen des Zentralarchivs des Jesuitenordens gehalten. Schwerpunkte lagen dabei auf den Satzungen des Ordens, auf Missionsberichten aus allen Erdteilen sowie auf der Kontroverstheologie und dem polemischen Schrifttum des 18. Jahrhunderts. Diese Themen konnten anschließend anhand der jahrhundertealten handgeschriebenen und gedruckten Bände aus dem Archiv vertieft werden: Berichte über Indiostämme aus Südamerika, Kataloge über die Ordensmitglieder und Bewerbungsschreiben von jungen Jesuiten, die nach Japan oder Indien in die Mission wollten, wurden besprochen und ausgewertet. Auch die Quellenkritik und der Aussagewert der Quellen wurden diskutiert, sodass einige Ideen für Forschungen im Rahmen einer Master- oder Zulassungsarbeit entstanden.
Ein Höhepunkt war die Begrüßung der Tübinger Exkursionsgruppe durch den General des Jesuitenordens, Pater Adolfo Nicolás. Die Studierenden interessierten sich vor allem dafür, wie Nicolás als Jugendlicher vom Orden erfahren habe und wie oft er den Papst treffe. Auf die Frage, wie er sich auf sein Amt als Oberhaupt des derzeit größten Ordens vorbereitet habe, antwortete er lachend: „You don’t prepare.“ Seine Wahl habe ihn völlig überrascht, und die vielfältigen Aufgaben hätte er sich im Vorfeld ohnehin nicht ausmalen können.
Selbstverständlich standen auch geschichtliche sowie architektur- und kunsthistorische Erkundungen durch die Ewige Stadt auf dem Programm. Bei einem Besuch des Deutschen Historischen Instituts in Rom (DHI) berichtete DHI-Direktor Professor Dr. Michael Matheus über aktuelle Forschungsprojekte am DHI und informierte die Exkursionsteilnehmer über die Stipendienprogramme des Instituts.
Die Exkursion wurde geplant und begleitet von Dr. Paul Oberholzer, Archivar des Zentralarchivs des Jesuitenordens, sowie von Tübinger Seite von Professor Dr. Franz Brendle und Fabian Fechner; sie wurde unter anderem durch Drittmittelzuschüsse finanziert, darunter Fördergelder des Historischen Instituts des Jesuitenordens in Rom. Das erfolgreiche „Experiment“, eine Exkursion in enger Zusammenarbeit mit einem Archiv durchzuführen, wird sehr wahrscheinlich kein Einzelfall bleiben.
Fabian Fechner