Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2011: Schwerpunkt
Stimmen von Tübinger Studierenden zum „Bildungsstreik 2011“
Überfüllte Hörsäle und zu großer Druck werden bemängelt
Seit Sommer 2009 ist er vielen ein Begriff: Der „Bildungsstreik“. Auch an der Universität Tübingen gab es damals Proteste, ein Hörsaal des Kupferbaus wurde besetzt. Die Bezeichnung „Bildungsstreik“ haben die Studierenden im Rahmen der Schüler- und Studentenproteste 2009 selbst gewählt. Die zentrale Forderung des bundesweiten „Bildungsstreiks“ der Studierenden ist vor allem „uneingeschränkter Zugang zu Bildung“. Dazu gehören die Abschaffung der Studiengebühren und der Abbau von Zulassungsbeschränkungen. Eine Reform der „verschulten“ Bachelorstudiengänge und eine Demokratisierung der Hochschulen, das bedeutet mehr Mitspracherecht, haben die am „Bildungsstreik“ beteiligten Studierenden ebenfalls auf ihrer Liste. Auch in diesem Jahr wird wieder gestreikt, die erste Kundgebung des Bündnisses Bildungsstreik, Gruppe Tübingen, fand Mitte Januar auf dem Tübinger Holzmarkt statt. Neben den allgemeinen Forderungen des Bündnisses stehen ganz konkrete Probleme der Studierenden:
Anna studiert in Tübingen Anglistik und findet nicht nur die Studiengebühren sozial ungerecht. „Mich stört vor allem, wie die Umstellung zum Bachelor gelaufen ist, nicht einmal der Bachelor an sich. Aber die Vorlesungen in meinem Studienfach sind total überladen“, sagt sie. „Außerdem lastet jetzt ein enormer Druck auf uns, möglichst schnell mit dem Studium fertig zu werden.“ „Wir haben große Schwierigkeiten, einen Platz in den Seminaren zu bekommen“, pflichtet ihr Maike, Germanistik-Studentin, bei. „Es gibt kein Fenster für Praktika während des Studiums. Außerdem sind auch die Masterstudienplätze begrenzt. Gerade deshalb ist der Druck so groß, einen dieser wenigen Plätze zu ergattern.“
Lukas, der sich im Bündnis Bildungsstreik engagiert und in Tübingen Anglistik studiert, sieht die Probleme ähnlich: „In Englisch war es im letzten Jahr so, dass in einen Hörsaal, in den nur 400 Leute passen, etwa 600 rein sollten - das war eine Pflichtveranstaltung für Erstsemester. Das ist natürlich ein großes Problem. Außerdem gibt es in den Seminaren zu wenig Plätze, man muss sich schon für drei bis vier Seminare bewerben, um wenigstens in eines zu kommen.“ Auch Jan stört sich am meisten an den begrenzten Masterstudiengängen. „Wenn es pro Studiengang nur 20 Plätze gibt, ist das einfach zu wenig“, findet er.
Bei der Kundgebung im Januar hatten sich etwa 50 Studierende auf dem Tübinger Holzmarkt versammelt, dabei auch Filmbeiträge von anderen Studentenprotesten in Baden-Württemberg gezeigt.
Insgesamt hat der „Bildungsstreik“ an Intensität abgenommen. Die Universität Tübingen hat auf die Proteste reagiert: unter anderem können mehr Bachelor- sowie einige Master-Studiengänge jetzt auch zum Sommersemester begonnen werden, außerdem wurde gerade der „Bachelor 3 plus“ eingeführt.
Simona Steeger-Przytulla