Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2023: Leute

Ein Pionier der Neuropsychologie und der zerebralen Asymmetrie

Zum Tode von Professor Dr. Bruno Preilowski ein Nachruf von Martin Hautzinger und Rolf Ulrich

Kurz vor seinem 80. Geburtstag ist Professor Dr. Bruno Preilowski, langjähriges Mitglied am Fachbereich Psychologie der Eberhard Karls Universität Tübingen, nach langer schwerer Krankheit verstorben. Bruno Preilowski war ein der international renommierter Neuropsychologe und hat mit seiner Forschung und leidenschaftlichen Lehre zahlreiche Studierende und Kollegen inspiriert.

Geboren am 6. August 1943, erhielt er seine Ausbildung an renommierten Universitäten wie der Universität Marburg, der Tulane University in New Orleans, USA, und dem California Institute of Technology (CALTECH) in Pasadena, Kalifornien, USA. Seine wissenschaftliche Laufbahn führte ihn an Universitäten in Polen, den USA, Mexiko, Japan, Korea, Australien und Neuseeland.

Nach seiner Promotion 1968 wechselte Bruno Preilowski in das Labor des berühmten Neurobiologen und späteren Nobelpreisträgers Roger W. Sperry am California Institute of Technology. Dort arbeitete er mit Split-Brain-Patienten und trug maßgeblich zur Beschreibung der bis dahin unbekannten Funktionen des vorderen Teils des Gehirnbalkens (Corpus callosum) bei. Mit seinen bahnbrechenden Untersuchungen, die auf nichtsprachlichen Verfahren beruhen, zeigte er erstmals, dass Split-Brain-Patienten auch mit ihrer rechten, nichtsprachlichen Gehirnhälfte Bilder von sich selbst erkennen und von anderen Bildern unterscheiden können. Damit untermauerte er experimentell die These von Roger W. Sperry, dass Split-Brain-Patienten über zwei voneinander unabhängige, typisch menschliche Bewusstseinssphären verfügen.

Ab 1972 der Universität Konstanz und seit 1983 an der Universität Tübingen im Fachbereich Psychologie vertrat Bruno Preilowski in Forschung und Lehre die Biologische Psychologie sowie die experimentelle und klinische Neuropsychologie. Seine Forschungsschwerpunkte lagen vor allem auf dem Gebiet der zerebralen Asymmetrie und der interhemisphärischen Interaktion sowie auf dem Gebiet der entwicklungsbedingten Lese-Rechtschreibstörungen. In seinen hervorragend organisierten Vorlesungen und Praktika führte er die Studierenden in die Anatomie des menschlichen Gehirns und in die Neuropsychologie ein und war bei ihnen sehr beliebt. 

Zu seinen beruflichen Ehrungen gehörten die Verleihung der Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft für Neuropsychologie sowie die „Plaque of Appreciation” der Tokyo Society of Medical Sciences and Faculty of Medicine, der Univ. of Tokyo, Tokyo (Japan) und die “Plaque of Recognition” der Yonsei University, Seoul (Rep. Korea). 

Neben seiner akademischen und klinisch-psychotherapeutischen Laufbahn engagierte sich Bruno Preilowski auch außerhalb der Wissenschaft. Das Wohl der Menschen lag ihm besonders am Herzen. Als aktives Mitglied von Amnesty International setzte er sich weltweit für die Menschenrechte ein. 

Nach seiner Emeritierung im Jahr 2010 wurde er Gastprofessor für Methoden der Verhaltens- und Hirnforschung an der Zeppelin Universität in Friedrichshafen und gründete dort das Hugo-Eckener-Labor (HEL). Seine bis zuletzt aktiv betriebene Forschungen drehten sich um die Asymmetrien der Gesichterwahrnehmung und des Gesichtsausdrucks sowie die Anwendung der funktionellen Nah-Infrarot-Spektroskopie zum Nachweis asymmetrischer zerebraler kognitiver Prozesse.

Bruno Preilowski hinterlässt zwei Kinder und seine Frau, die ihn in seiner Forschung unterstützte und mit ihm viele gemeinsame Interessen teilte.