Uni-Tübingen

Dorothea Kies

Kollegiatin

Akademischer Werdegang

Studium der Mittelalterlichen Geschichte, Lateinischen Philologie und Judaistik an der Eberhard-Karls Universität Tübingen und der Hebrew University of Jerusalem

 

Berufliche Stationen

Mai 2011-September 2014 Doktorandin im Graduiertenkolleg 1662 „Religiöses Wissen“ an der Eberhard-Karls Universität Tübingen
seit Oktober 2014 Promotionsstipendiatin des "Leo Baeck Fellowship Programms"

Geschichte und Wissen: Juden in der christlichen Historiographie des
13. Jahrhunderts

Die jüngere Forschung zur deutsch-jüdischen Geschichtswissenschaft postuliert ein Konzept der gegenseitigen Beeinflussungen von Juden und Christen nicht nur im Mittelalter, welches zugleich von Ambivalenz und Polemik geprägt ist.


Ein zentraler und das Verhältnis zwischen Juden und Christen langfristig prägender Kontakt- und Konfliktbereich sind die Verfolgungen der Juden, die bis zum Ende des 12. Jahrhunderts im Heilig-Römischen Reich nur sporadisch auftraten. Das 13. Jahrhundert bildete für die Juden eine wechselvolle Phase: Von kirchlicher Seite wurde u.a. eine verpflichtende Kennzeichnung der Kleidung auf dem 4. Laterankonzil 1215 beschlossen. 1235 trat in Fulda der erste Ritualmordvorwurf, erstmalig verbunden mit einer Blutfrevelbeschuldigung, in Deutschland auf. Insgesamt nahm die Frequenz zunächst vereinzelter, lokal begrenzter Verfolgungen vor allem nach der Jahrhundertmitte zu. Bei diesen Ereignissen äußerten sich auf christlicher Seite religiöse Stereotype und Vorbehalte, zum Teil über Jahrhunderte tradierte Wissensbestände, den Juden gegenüber. Gleichzeitig versuchte die kirchliche und weltliche Obrigkeit, die Verfolgungen einzudämmen und ihnen die Grundlage zu entziehen.


Das Dissertationsvorhaben analysiert, wie sich in christlicher Historiographie der Kontakt und Umgang mit diesen für die Juden höchst relevanten Ereignisse äußerte und funktionierte: Auf welche Aspekte konzentrierten sich die christlichen Geschichtsschreiber des 13. Jahrhunderts besonders, welche Sachverhalte rezipierten sie weniger stark, welche Konfliktpotentiale äußerten sich? Lassen sich bestimmte Traditionsketten über einzelnen Ereignisse in den historiographischen Quellen ausmachen, und falls ja, welche Implikationen haben diese? Kurzum: Welches Wissen hatten die Historiographen über Juden und ihre Religion – und in welcher Weise trugen die Geschichtsschreiber ihrerseits mit ihren Werken zum Transfer und zur Transformation dieses Wissens bei? Damit sollen vor dem Hintergrund der jeweiligen konkreten historischen Situation Rückschlüsse auf den Kontakt mit und das Wissen über Juden bzw. einzelnen, die Juden betreffende Ereignisse ermöglicht werden.