Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2011: Forschung
Preiskampf der Wirtschaftsprüfer
Marktmacht der großen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften nimmt zu
Seit nunmehr achtzig Jahren schreibt das Aktienrecht vor, dass Aktiengesellschaften ihre Abschlüsse prüfen lassen müssen. Für Aktionäre sind unabhängige und sorgfältige Prüfungen eine wichtige Entscheidungshilfe. Zahlreiche Wirtschaftsprüfungsgesellschaften konkurrieren um diese Aufträge. Ob diese Konkurrenz noch ausreichend funktioniert, ist in Fachkreisen Gegenstand der Diskussion. Auch das Grünbuch der Abschlussprüfung der EU-Kommission zweifelt an der Chancengleichheit der Wirtschaftsprüfer bei der Vergabe von Prüfungsaufträgen. Dipl.-Kfm. Andreas Wild vom Lehrstuhl für internationale Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung der Universität Tübingen steuert nun handfestes Zahlenmaterial bei. Wild hat die Einflussfaktoren der deutschen Prüferhonorare erstmals auf der Basis der einzelnen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften analysiert. Ebenfalls zum ersten Mal hat Wild untersucht, ob die einzelnen der „Großen Vier“ der Branche in Deutschland so genanntes Fee Cutting betreiben, das heißt, ob sie dank ihrer Marktmacht eine Honorargestaltung praktizieren können, welche ihnen Vorteile gegenüber kleineren Konkurrenten verschafft. Dies ist nach Wilds Ergebnissen tatsächlich der Fall. Wild: „Fee Cutting tritt auf, wenn ein Prüferwechsel zu einem BIG-Four-Abschlussprüfer erfolgt.“
Die Weltmarktführer Deloitte, Ernst & Young, KPMG und PricewaterhouseCoopers (PwC), oft die „Big Four“ oder die „Großen Vier“ genannt, bieten Kunden, die zu ihnen wechseln, besonders niedrige Eingangshonorare an, die unter den Sätzen für Folgeprüfungen liegen (Fee Cutting). Für kleinere Gesellschaften ist dies nicht nachweisbar. Möglich wäre sogar, dass die Prüfer im harten Preiskampf bei den Honoraren unter ihren Kosten bleiben; diese Praxis wird Low Balling genannt. Oft wird nämlich der Abschluss eines Prüfauftrags nur als Einstieg in den Verkauf lukrativer Beratungsdienstleistungen genutzt. Wild lässt offen, ob Prüfungen tatsächlich unter den Kosten verkauft werden. Eine solche Praxis lässt sich nicht nachweisen, da die Prüfungsgesellschaften ihre Kosten nicht veröffentlichen müssen.
Dagegen sind die Prüfungshonorare öffentlich. Seit 2005 schreibt das Handelsgesetzbuch vor, dass Unternehmen, die an einem organisierten Markt teilnehmen, diese Honorare im Anhang des Jahres- bzw. im Konzernabschluss angeben müssen. Wild ist deshalb auch der Frage nachgegangen, ob die Großen Vier dank ihrer Marktmacht generell höhere Prüfhonorare verlangen können. Das ist aber nicht der Fall – mit einer Ausnahme: „Eine Honorarprämie kann nur für PwC nachgewiesen werden“, sagt Wild. Unter sonst gleichen Bedingungen kann PwC ein höheres Honorar verlangen als die Konkurrenten.
Andreas Wild zieht das Fazit: „Die Ergebnisse der Untersuchung deuten auf eine weitere Konzentration auf dem Markt für Abschlussprüfungen kapitalmarktorientierter Unternehmen hin. Der große Wettbewerb auf dem Markt für Erstprüfungen führt zu einer Verdrängung kleinerer Wirtschaftsprüfer, die kein Fee Cutting betreiben.“
Analysiert hat Wild Daten dreier Geschäftsjahre aus dem Zeitraum 2005 bis 2008 von 364 Unternehmen mit Sitz in Deutschland, die mit Beginn des Jahres 2008 im sogenannten Prime Standard der Deutschen Börse AG gelistet waren. Die Daten – die Bilanzsumme des geprüften Unternehmens, die Zahl der Tochterunternehmen und verschiedene Bilanzkennzahlen als Maß für die Größe und die Komplexität des Prüfauftrags, und natürlich die Prüferhonorare – entstammen Wirtschaftsdatenbanken, sowie den Geschäftsberichten der Unternehmen. Es kam eine Stichprobe von 892 Datensätzen zusammen. Neben den Einflussfaktoren der Prüferhonorare aller Wirtschaftsprüfungsgesellschaften wurden auch Besonderheiten bei den Großen Vier untersucht.
Rainer Klüting
Die Studie:
Andreas Wild: Fee Cutting and Fee Premium of German Auditors (Fee Cutting und Honorarprämien deutscher Abschlussprüfer). In: Die Betriebswirtschaft, 70. Jahrgang 2010, Heft 6, S. 513-527.
Kontakt:
Dipl.-Kfm. Andreas Wild
Universität Tübingen
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
Fachbereich Wirtschaftswissenschaft
Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insb. Internationale Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung
Tel.: +49 7071 29-78210
E-Mail: andreas.wild[at]uni-tuebingen.de