Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2011: Forum

Das Memorandum „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“

Die Verschleppung schmerzhafter Reflexion verhindern

Über 250 katholische Theologieprofessoren und -professorinnen haben inzwischen das Memorandum „Kirche 2011: Ein notwendiger Aufbruch“ unterschrieben. Zu ihnen gehören auch sieben Professoren (von 14), die an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen lehren. Hinzu kommen vier Tübinger Professoren im Ruhestand und ein Neuberufener.


Jeder, der das wesentlich von Professoren norddeutscher Hochschulen konzipierte Memorandum durch seine Unterschrift unterstützt, hat sicher sein eigenes Bündel von Motivationen. Wir haben das nicht gezielt untereinander abgesprochen. Was mich selbst anbetrifft, so ist es primär die Erkenntnis, dass die katholische Kirche im letzten Jahr einen ungeheuren Vertrauensverlust erlitten hat. Sie hat Teile ihrer wichtigsten Ressource verloren, denn Glaube gründet in ganz entscheidender Weise auf Vertrauen. Die Aufdeckung des langjährigen sexuellen Missbrauchs, insbesondere von Jungen durch Priester und Ordensmänner, aber auch von „schwarzer Pädagogik“ (Prügelstrafen usw.) hat ein Ausmaß von Vertrauensbruch in kirchlichen Einrichtungen offenbart, wie es bis dahin unvorstellbar war. Die Auswirkungen sind noch gar nicht voll absehbar. Entscheidend ist: Man darf diese Vorgänge und ihre vielfach systematische Vertuschung nicht isoliert sehen, sondern muss sie als Symptom verstehen und es geht dabei nicht zuletzt um die Verantwortung der Kirche als Institution. Eine Aufarbeitung, die nach den strukturellen, systematischen und historischen Bedingungen dieser Katastrophe fragt, kommt aber bislang nicht richtig in Gang.


Nur durch offenere Kommunikation und breitere Partizipation bei den notwendigen Entscheidungen wird das verlorene Vertrauen zurück gewonnen werden können. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, hat dazu zwar einen Dialogprozess angeregt. Es ist aber die Tendenz wahrnehmbar, die Dinge nach der Regelung von Entschädigungszahlungen auszusitzen, und immer wieder zu hören, die Atmosphäre im Vorfeld der Papstbesuchs in Deutschland im September dürfe nicht mit heiklen Diskussionen belastet werden.


Das Memorandum ist in der Öffentlichkeit oft verkürzt auf die Forderung nach der Aufhebung des verpflichtenden Priesterzölibats wahrgenommen worden. Eine der wichtigsten Intentionen aber ist es, die Verschleppung grundsätzlicher, sicher schmerzhafter Reflexion zu verhindern.


Das vollständige Memorandum ist im Internet zu finden unter:

www.memorandum-freiheit.de

Zum theologischen Hintergrund informiert auch das neuste Heft der Tübinger Theologischen Quartalschrift:

http://www.schwabenverlag.de/4zeitsch/f4h_thq.htm

 

Hans-Reinhard Seeliger