Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 2/2014: Forum

Der Judaist Peter Schäfer erhält den Dr. Leopold Lucas-Preis 2014

Die Universität Tübingen zeichnet einen international wirkenden Wissenschaftler aus, der durch seine umfassenden Arbeiten zum Judentum zum Völkerverständnis beiträgt

Der Judaist Professor Dr. Dr. h. c. mult. Peter Schäfer, emeritierter Lehrstuhlinhaber der Ronald O. Perelman Professorship of Judaic Studies and Professor of Religion an der Princeton University (New Jersey, USA) ist am 13. Mai mit dem diesjährigen Dr. Leopold Lucas-Preis ausgezeichnet worden. Der Titel seines Festvortrags lautete: "Juden und Christen in den ersten Jahrhunderten ihrer Begegnung".

Der mit 50.000 Euro dotierte Lucas-Preis wird von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Tübingen im Namen der Universität verliehen. Schäfers wissenschaftliches Werk stellt einen herausragenden Beitrag zur Erforschung der Geschichte, der Literatur und der Theologie des antiken und frühmittelalterlichen Judentums dar. Als international in den USA, in Israel und in Deutschland wirkender Wissenschaftler hat er damit auch einen persönlichen Beitrag zum Verstehen der Völker und Kulturen geleistet.

Großes Ansehen in seiner wissenschaftlichen Tätigkeit hat sich Peter Schäfer durch seine Editionstätigkeit, nicht minder aber auch durch begleitende analysierende und interpretierende Arbeiten erworben. Mit der Hekhalot-Literatur hat er Texte jüdischer Mystik erstmals wissenschaftlich ediert, übersetzt und durch eine Konkordanz erschlossen. Er ist verantwortlich für die Edition des Talmud Yerushalmi und gibt dessen Übersetzung heraus, er macht durch die Edition magischer Literatur aus der Kairoer Geniza viele dort aufgefundene Texte erstmals zugänglich. Zudem hat er zentrale Themen der Theologie des Frühjudentums – beispielsweise Heiliger Geist, Verborgenheit und Offenbarung Gottes, Gottesbilder und Messianismus – monographisch behandelt und die Beziehungen zwischen Judentum und Christentum in Antike und Spätantike und die Entstehung des Judenhasses beleuchtet sowie Überblicksliteratur vorgelegt, unter anderem eine Geschichte der Juden in der Antike. Die Juden Palästinas von Alexander dem Großen bis zur arabischen Eroberung.

Peter Schäfer zählt zu den bedeutendsten Judaisten der Gegenwart und hat sich auch für die Etablierung der Judaistik an den Universitäten und deren Verhältnisbestimmung zu den anderen Wissenschaften engagiert.

Peter Schäfer, 1943 in Mülheim (Ruhr) geboren, wurde nach Studium der katholischen Theologie, Philosophie und Judaistik in Bonn und an der Hebräischen Universität Jerusalem in Freiburg zum Dr. phil. promoviert. Danach war er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institutum Judaicum in Tübingen tätig und habilitierte sich 1973 in Judaistik an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt (Main). Schon 1974 außerplanmäßiger Professor für Judaistik am Martin Buber-Institut Köln, wurde ihm dort 1982 eine ordentliche Professur übertragen. Von 1983 an wirkte er als Direktor des Instituts für Judaistik an der Freien Universität Berlin, bevor er 1998 Member and Visiting Mellon Professor am Institute for Advanced Studies in Princeton (USA) wurde. Dort berief man ihn 2003 auch zum ersten Lehrstuhlinhaber der Ronald O. Perelman Professorship of Judaic Studies und Professor of Religion; 2005 wurde er Direktor des dortigen Studienprogramms in Judaistik. Zudem hat er zahlreiche Gastprofessuren wahrgenommen, so in Oxford, Jerusalem und Yale. Mit der theologischen Ehrendoktorwürde wurde er 1993 in Utrecht (Niederlande) ausgezeichnet sowie 2007 mit der philosophischen Ehrendoktorwürde der Universität Tel Aviv (Israel) geehrt. Er ist unter anderem ordentliches Mitglied der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Auch durch Preisverleihungen ist Peter Schäfer ausgezeichnet worden: mit dem Leibniz-Preis 1994 und in den USA durch den renommierten „Andrew W. Mellon Foundation Distinguished Achievement Award“ 2006 – für seine Initiative, die Tradition jüdischer Studien in Deutschland wiederzubeleben.

Der Dr. Leopold Lucas-Preis wurde 1972 von dem im Juli 1998 verstorbenen Generalkonsul Franz D. Lucas, Ehrensenator der Eberhard Karls Universität Tübingen, aus Anlass des 100. Geburtstags seines Vaters, des jüdischen Gelehrten und Rabbiners Dr. Leopold Lucas, gestiftet. Dr. Leopold Lucas, in Marburg (Lahn) 1872 geboren, kam 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt ums Leben.

Mit dem Lucas-Preis werden Persönlichkeiten gewürdigt, die sich auf den Gebieten der Theologie, der historischen Geisteswissenschaften und Philosophie durch hervorragende Leistungen in besonderer Weise um die Verständigung zwischen Menschen und Völkern sowie um die Verbreitung des Toleranzgedankens verdient gemacht haben.

Maximilian von Platen

Fernsehbeitrag des SWR