Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2015: Forschung

Deutsch-französisches Doktorandenkolleg Tübingen – Aix-en-Provence "Konfliktkulturen / Kulturkonflikte"

Promotionsprogramm ermöglicht gleichzeitig deutschen und französischen Doktortitel

Die Promotion mit einem deutschen und einem französischen Doktortitel abschließen – das Deutsch-französische Doktorandenkolleg Tübingen-Aix-en-Provence "Konfliktkulturen / Kulturkonflikte" bietet diese Möglichkeit seit 2012 an: die Kollegiaten erwerben sowohl den docteur Aix-Marseille Université als auch den Dr. phil. der Universität Tübingen.

Das Kolleg ist aus dem Masterstudiengang „Interkulturelle Deutsch-Französische Studien“ entstanden, den die Universitäten Tübingen und Aix-Marseille gemeinsam vor knapp zehn Jahren gestartet haben und der mit einem deutsch-französischen Doppelmaster abgeschlossen wird. Auf Tübinger Seite sind an dem Master die Internationalen Literaturen, die Romanistik, Geschichtswissenschaften, Empirische Kulturwissenschaft, Kunstgeschichte beteiligt. „Es ist ein literatur- und kulturwissenschaftlicher Master, der sowohl interdisziplinär wie auch international ausgelegt ist“, sagt Dorothee Kimmich. Sie ist Professorin für Literaturwissenschaftliche Kulturwissenschaft / Kulturtheorie am Deutschen Seminar der Universität Tübingen und koordiniert das deutsch-französische Doktorandenkolleg in Tübingen. „Die Zusammenarbeit mit meinen Kollegen Thomas Keller in der Germanistik in Aix-en-Provence sowie mit weiteren Kolleginnen und Kollegen in der dortigen Germanistik, Romanistik, Komparatistik, Philosophie und Geschichtswissenschaft beim Masterstudiengang hat die Grundlage gelegt für das Doktorandenkolleg“, so Kimmich.

Der Anteil der Kollegiaten, die zuvor den Masterstudiengang absolviert haben, ist hoch. „Als Masterabsolventin war ich bereits in das deutsch-französische System ‚eingebettet‘, deswegen war für mich die Bewerbung für das Deutsch-französische Doktorandenkolleg der logische nächste Schritt. Die Möglichkeit, als Doktorandin gleichzeitig den französischen Doktor zu erlangen, ist für mich sehr attraktiv“, sagt Dorothea Hering. Sie promoviert über den „Antagonismus des deutsch- und französischsprachigen Mutterbildes“. Bereits bei ihrer Masterarbeit über die Rezeption Simone de Beauvoirs in Deutschland hat sie festgestellt, dass Deutschland sich beim Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf Frankreich bis heute als Vorbild nimmt.

Ihr Kollege Thomas Nolte findet das Promotionsprogramm auch aus anderen Gründen empfehlenswert. „Mich reizt besonders die Anbindung an eine französische Hochschule, mit einem französischen Zweitbetreuer. Es findet ein konkreter wissenschaftlicher Austausch statt, man bekommt also parallel etwas von der französischen und von der deutschen Forschung mit – man ist nicht ‚isoliert‘. Und man hat die Möglichkeit, abwechselnd an Seminaren, Workshops und Konferenzen in Deutschland oder Frankreich teilzunehmen und bekommt dafür ein Stipendium in Form der Mobilitätsbeihilfe. Das ermöglicht es uns Doktoranden, viel Zeit auch in Frankreich zu verbringen“, sagt Nolte. Er promoviert über das deutsch- und französischsprachige Unterhaltungstheater im 19. Jahrhundert – vom Wiener Vorstadttheater und dem französischen Boulevardtheater bis zur Operette im 19. Jahrhundert.

„Wir sehen, wie viele kulturgeschichtliche Themen im deutsch-französischen Kontext noch ‚brachliegen‘. Allein die Fülle der Masterthemen überrascht uns immer wieder. Es gibt genügend Themen in der deutschen Literatur, über die bereits Dutzende Arbeiten geschrieben wurden. Aber die kulturellen Verflechtungen zwischen Deutschland und Frankreich, sei es biographischer oder historischer Art, – da kann man noch viel erforschen“, stellt Dorothee Kimmich fest. „Nicole Colin, die neue Koordinatorin des Kollegs in Aix-en-Provence, hat beispielsweise eine Arbeit über die 'Deutsch-französische Theatergeschichte/Inszenierungsgeschichte in der Nachkriegszeit' geschrieben. Es ist faszinierend, wie viele Franzosen damals nach Berlin gekommen sind, und wie viele deutsche Regisseure im Paris der Nachkriegszeit inszeniert haben“, sagt die Tübinger Koordinatorin.

Die ersten Dissertationen werden voraussichtlich im Herbst fertig. Zwei Drittel der Kollegiaten sind Deutsche. Für sie ist es ein großer Vorteil, auch den französischen Doktor zu haben. „Wir haben Doktoranden, die einen deutschen Pass haben, aber schon jetzt in Frankreich arbeiten. Eine Doktorandin arbeitet neben der Promotion von Deutschland aus auf Auftragsbasis ausschließlich für französische Firmen in Paris, es ist absehbar, dass auch sie eine Karriere in Frankreich machen wird“, so Kimmich.

Und die Berufsaussichten sind sehr gut. „Fast alle unsere Master-Absolventen haben sehr attraktive Jobs bekommen, etwa in Brüssel bei der Vertretung Baden-Württembergs oder der Auslandsvertretung der Bundesanstalt für Arbeit, bei ARTE, bei Kulturinstituten in Straßburg oder in Brüssel“, sagt Dorothee Kimmich nicht ohne Stolz und hofft auf wieder mehr Bewerbungen aus Frankreich.

Maximilian von Platen

Bewerbungen für das Deutsch-französisches Doktorandenkolleg

Die Bewerbungsfrist für deutsche Bewerberinnen und Bewerber endet am 15.09.2015. Die Bewerber müssen einen Masterabschluss in den Fächern Romanistik, Germanistik, Vergleichende Literaturwissenschaft, Geschichte oder Kunstgeschichte nachweisen und über gute Kenntnisse der Sprache und der Kultur des Partners verfügen. Bewerbungen aus anderen Disziplinen werden Fall für Fall geprüft. Bewerber, die nicht aus frankophonen oder deutschsprachigen Ländern kommen, sind willkommen. Weitere Informationen und Bewerbungsformular: http://www.uni-tuebingen.de/index.php?id=27562#c77643

Deutsch-französisches Doktorandenkolleg Tübingen – Aix-en-Provence "Konfliktkulturen / Kulturkonflikte" (Collège doctoral franco-allemand Aix-en-Provence – Tübingen «Cultures de conflit / conflits de cultures»)

Das Kolleg ermöglicht interdisziplinäre Studien und bilaterale Forschungszugänge auf dem Gebiet des Konflikts. Die Ausbildung stellt die wissenschaftliche Exzellenz für frankophone, germanophone und andere Länder sicher.

Das Kolleg wird von der Deutsch-Französischen Hochschule DFH gefördert, die Förderung wurde verlängert bis 2017. Die DFH ist ein Förderinstrument für die Deutsch-Französische Hochschullandschaft mit verschiedenen Formaten. Das Deutsch-französische Doktorandenkolleg Tübingen-Aix gehört zu den ganz wenigen geförderten Angeboten aus den Geisteswissensschaften.

Das Kolleg hat einige Modulbausteine, die für die deutschen Doktoranden verbindlich sind und für die es auch ECTS-Punkte (insgesamt 60 Punkte) gibt. Zum Angebot gehören neben Tagungen; Workshops (einmal pro Jahr, je drei Tage) und Sprachkursen auch zweitägige Doktoranden-Forschungsseminare, davon eines in Aix und eines in Tübingen. In Aix kommen zwei weitere Module hinzu: Methodologie, insbesondere das: Abfassen wissenschaftlicher Arbeiten und das Schreiben wissenschaftliche Texte auf Englisch sowie das interdisziplinäre Seminar „Les polémiques“. In Tübingen gibt es außerdem das Interkulturelle Modul „Konfliktforschung in Deutschland und Frankreich“. Abgerundet wird das Programm mit Angeboten zur beruflichen Eingliederung, in Tübingen läuft das über den Career Service der Universität.

Die DFH als Förderer erwartet, dass deutsche Kollegiaten ein Drittel ihrer Promotion in Frankreich verbringen. Gefördert werden Aufenthalte von bis zu 18 Monaten, die Doktoranden erhalten dafür eine Mobilitätsbeihilfe von 600 Euro monatlich. Die Auslandsaufenthalte müssen dabei nicht zwangsläufig in Aix-en Provence stattfinden. Auch Archivbesuche in Paris oder – wie jüngst bei einer Doktorandin – in Togo werden vom Kolleg zusätzlich finanziert, gerade bei historisch ausgeprägten Arbeiten.

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