Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2016: Uni intern

Ausbildungsberuf Buchbinder: Fingerspitzengefühl, Geduld und Respekt gegenüber dem Material

Als Auszubildender in der Restaurierungs-Werkstatt der Universitätsbibliothek Tübingen

Lukas Bott ist seit einem halben Jahr Auszubildender in der Restaurierungs-Werkstatt der Universitätsbibliothek Tübingen (UB). Die UB bildet ihn zum Buchbinder aus, der Schwerpunkt liegt dabei auf der Restaurierung von Altbeständen der UB. In diesem Bereich gibt es stets großen Bedarf in der UB. Ob die UB auch künftig den Ausbildungsberuf Buchbinder anbietet, wird allerdings erst nach Abschluss von Botts Ausbildung entschieden.


Ausbildungsleiterin Rachel Dipper, die Leiterin der Restaurierungs-Werkstatt, betont, dass die Ausbildung in der Universitätsbibliothek ganz anders als in industriellen Betrieben ist und sehr zugeschnitten auf die Bedürfnisse der UB. Für das Lernen an modernen Falz- und Buchbindemaschinen muss Lukas Bott daher während seiner Ausbildung zur Berufsschule und in überbetriebliche Ausbildungen gehen. Dafür lernt er an der UB im Gegensatz zur Industrie sehr intensiv selten gewordene handwerkliche Techniken, insbesondere für die Restaurierung von Büchern und Handschriften, wie etwa das Schärfen von Leder. Sehr wichtig in der Restaurierungs-Werkstatt ist auch die Materialkunde: hier werden zum Beispiel nur, wasserlösliche, säurefreie (selbst gefertigter Kleister und Heißleim) Klebstoffe verwendet. Denn oberste Maxime ist: „Alle unsere Arbeiten werden so ausgeführt, dass sie reversibel sind. Mit modernen Industrieklebestoffen geht das nicht“, erklärt Rachel Dipper.

Die Kunsthistorikerin Dipper beschäftigte sich während ihres Magisterstudiums intensiv mit mittelalterlichen Buchmalereien und kam dabei in Berührung mit der Restaurierung von Büchern. Sie schätzt an ihrer Arbeit, dass man abends das Ergebnis der eigenen Arbeit sehen und auch in die Hand nehmen kann. Wichtig für ihren Beruf findet sie außerdem, dass man Freude am Material und am Buch mitbringt.


Lukas Bott machte nach seinem Abitur zunächst ein Freiwilliges Ökologisches Jahr (FÖJ) bei der Paläontologischen Schau-, Forschungs- und Lehrsammlung der Universität Tübingen. Eine seiner Aufgaben dort war die alterungsbeständige Verpackung von Originalhandschriften aus dem Archiv der Sammlung, darunter Aufzeichnungen und Schulbücher des Tübinger Geologen, Paläontologen, Mineralogen und Kristallographen Friedrich August Quenstedt (1809-1869). Dadurch kam Bott erstmals in Kontakt mit der Restaurierungs-Werkstatt der Tübinger UB: er wurde dorthin „ausgeliehen“ und erlernte die Herstellung von Schachteln für die Archivierung der Handschriften. Nach dem FÖJ begann Bott ein Studium der Geowissenschaften. Als er erkannte, dass er das Studium nicht fortsetzen wollte, bewarb er sich erfolgreich um den Ausbildungsplatz als Buchbinder in der Restaurierungs-Werkstatt. Insgesamt 24 Wochen verbringt er während seiner Ausbildung an der Berufsschule. Da Bott das Abitur besitzt, konnte die Ausbildungszeit bei ihm von regulär drei auf zwei Jahre reduziert werden.

Lukas Bott hat schon immer gerne handwerklich gearbeitet. Was ihm an seinem Ausbildungsberuf gefällt, ist die Abwechslung: „Jedes Buch, jedes Projekt ist anders. Man muss zunächst genau überlegen, welche Reparaturen notwendig sind, in welcher Reihenfolge sind sie auszuführen, welche Besonderheiten hat das jeweilige Buch oder die jeweilige Handschrift, beispielsweise in Bezug auf das verwendete Material.“ Ausbildungsleiterin Rachel Dipper achtet darauf, dass Bott möglichst viele Projekte bekommt, bei denen er neue Techniken und Materialien kennenlernt. Sie bespricht ausführlich mit ihrem Auszubildenden, welche Arbeitsschritte zu tun sind, zeigt ihm neue Techniken und gibt ihm ausführliches Feedback zu allen seinen Werkstücken. Und wenn er die entsprechenden Kenntnisse und Techniken bereits beherrscht, überlässt Rachel Dipper ihm die Bücher zur selbständigen Bearbeitung. „Am Anfang war ich sehr nervös, wenn ich ein kostbares Buch aus dem 16. Jahrhundert bearbeitet habe, jetzt mit der Routine ist das nichts Besonderes mehr.“ Seine Motivation? „Freude machen mir die vielen schön gestalteten Bücher. Da muss man sich jedes Mal sehr bemühen, damit sie nach der Restaurierung wieder ganz schön aussehen und dann für lange Zeit gesichert sind. Das ist für mich eine große Motivation.“ Und welche Fertigkeiten benötigt man als Buchbinder mit Schwerpunkt Restaurierung? „Man benötigt Fingerspitzengefühl, damit die Objekte nicht nach der Restaurierung in einem schlechteren Zustand sind als zuvor, aber auch, weil es häufig um Detailarbeiten im Millimeterbereich geht. Man muss die Materialien und ihre Eigenschaften – egal ob Leder, Papier, Pergament, Leinen oder Klebstoff – sehr gut kennen und ihnen zugleich Respekt entgegenbringen. Und man muss nicht zuletzt auch Geduld mitbringen: für einzelne Werkstücke benötigt man mehrere Tage oder gar Wochen, in Ausnahmefällen auch mal mehrere Monate. Und man hat bei jedem Objekt immer wieder Pausen, zum Beispiel wenn ein Klebstoff erst trocknen muss, bevor es weitergehen kann.“


Nach seiner Ausbildung würde Lukas Bott gerne in der UB oder in einer ähnlichen Einrichtung – Bibliothek oder Archiv – arbeiten, denn das ist sein Traumberuf. Vielleicht studiert er aber nach der Ausbildung zunächst noch Papierrestaurierung an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künsten in Stuttgart.

Maximilian von Platen

Die Universität Tübingen bietet insgesamt 16 Ausbildungsberufe an, in drei Berufen wird momentan nicht ausgebildet. Insgesamt gibt es aktuell an der Universität Tübingen 53 Auszubildende.

Homepage der Jugend- und Auszubildendenvertretung an der Universität Tübingen: http://www.uni-tuebingen.de/de/32046

Der Beruf des Buchbinders

Gegenwärtig wird der Beruf Buchbinder in Deutschland in zwei Fachrichtungen ausgebildet: Maschinelle Fertigung sowie Einzel- und Sonderfertigung. Letztere Fachrichtung ist die, in der Lukas Bott aktuell in der Universitätsbibliothek ausgebildet wird.

Neben Unikaten und Kleinstauflagen binden Auszubildende dieser Fachrichtung generell auch Zeitschriften oder Loseblattsammlungen zu Sammelbänden. Das Anfertigen von Mappen, Kassetten, Alben, das Schneiden von Passepartouts oder das Aufziehen von Postern und Bildern gehört ebenso zu ihren Aufgaben. Teilweise, besonders in Bibliothekswerkstätten, werden auch umfangreiche Reparaturarbeiten erledigt. Die Arbeit in diesem Ausbildungsgang ist größtenteils Handarbeit, nur für einige Arbeitsschritte werden kleinere Maschinen zur Hilfe genommen.

Dazu ist vor allem handwerkliches Können gefragt, die Beherrschung der vielen unterschiedlichen Bindetechniken, Kenntnis der Verarbeitung der Papiere, Pappen, Folien, Leinen, Leder und Pergamente, der unterschiedlichen Klebstoffe sowie all der Möglichkeiten, sie einzusetzen.

Die Ausbildung beinhaltet neben der Arbeit im Betrieb auch rund 300 Stunden Fachtheorie pro Ausbildungsjahr an der Berufsschule. Darüber hinaus gliedert sich die Ausbildung in integrative Qualifikationen (z.B. Berufsbildung, Arbeits- und Tarifrecht oder Betriebliche Kommunikation) und Berufsprofilgebende Qualifikationen, darunter Pflicht- sowie Wahlmodule in zwei Stufen. Dabei muss zunächst in der Wahlstufe II zwischen den Fachrichtungen „Einzel- und Sonderfertigung“ und „Maschinelle Fertigung“ ausgewählt werden. Die Qualifikationen der Wahlstufe W I werden anschließend passend dazu ausgewählt. Am Ende der Ausbildung steht die Gesellenprüfung.

Buchbinder-Ausbildungsverordnung – BuchbAusbV zum Download

Buchbinder/Buchbinderin Informationsbroschüre des Zentral-Fachausschusses Berufsbildung Druck Bund Medien (ZFA) zum Download

Die konstituierenden Sitzungen für die Doktorandenkonvente an den anderen Fakultäten der Universität Tübingen sind ab Herbst 2015 geplant.