Wissenschaft ist Askese, so hat der Historiker Anton Schindling oft seine unermüdliche Lehr-und Forschungsarbeit erklärt. Und es war in der Tat ein überaus weites Feld, das er in seiner langjährigen Tätigkeit als Forscher und Hochschullehrer bearbeitet hat. Allein sieben Bände über „die Territorien des Reichs im Zeitalter der Reformation und Konfessionalisierung“ hat er zusammen mit seinem Münchner Kollegen Walter Ziegler herausgegeben, ein Überblickswerk zur vergleichenden Analyse der territorialen Reformationsgeschichte. Konfessionalisierung, Bildungsgeschichte, Geschichte des Alten Reiches, die südwestdeutsche Landesgeschichte wie die Geschichte Ostmitteleuropas – das waren nur einige seiner Forschungsinteressen.
Aufgewachsen in einem Handwerksbetrieb in Höchst, wandte sich Schindling schon früh als Student in Frankfurt der Geschichtswissenschaft zu, und kam in den Kreis der Schüler von Friedrich Hermann Schubert, die ein „neues Bild vom Alten Reich“ zeichneten, das sich wohltuend von dem der preußischen Historiographie abhob. Nach dem Tod Schuberts wurde bei ihm von Peter Baumgart in Würzburg das lebenslange Interesse für die Bildungsgeschichte geweckt. Reichs- und Bildungsgeschichte wurden denn auch zum Inhalt seiner wissenschaftlichen Qualifikationsschriften: der Promotion über Schule und Universität in Straßburg (1974) und der Habilitation über die Anfänge des Immerwährenden Reichstags zu Regensburg (1983). Nach Stationen als Professor in Eichstätt und Osnabrück wurde Schindling 1995 in der Nachfolge von Volker Press auf die Frühneuzeitprofessur in Tübingen berufen.
Beinahe ein Vierteljahrhundert hat er hier in Forschung und Lehre gewirkt, daneben brachte er in zahlreichen Gremien in und außerhalb der Universität seinen Sachverstand ein. Lange Jahre war er Dekan, saß im Senat und im Universitätsrat. Als stellvertretender Vorsitzender hat er in der „Gesellschaft zur Herausgabe des Corpus Catholicorum“ maßgeblich die Geschicke mitbestimmt, von 2005 bis 2015 stand er zudem der Kommission für Geschichtliche Landeskunde vor. Hier konnte er seine landesgeschichtlichen Interessen in idealer Weise mit seinem Engagement für die Geschichte des Reiches und Europas verbinden.
Anton Schindling war dabei immer wieder offen für neue Themen und Regionen. Einen Schwerpunkt seines forscherlichen Wirkens legte er zunehmend in den letzten Jahren auf die Geschichte Ostmitteleuropas. Er griff dabei auf Kontakte zurück, die sein Vorgänger Press am Ende des Kalten Krieges noch angebahnt hatte, er intensivierte sie und baute sie aus. Es war ihm dabei ein besonderes Anliegen, die in der deutschen Forschung lange Zeit weit verbreitete Fokussierung auf die Länder Westeuropas zu weiten und die Grenze, die der Eiserne Vorhang künstlich geschaffen hatte, zu überwinden. In zahlreichen Sammelbänden, Vorlesungen und Publikationen hat er so die Brücken nach Osten geschlagen und vor allem die kulturelle Einheit Gesamteuropas betont. Auch nach seiner Emeritierung blieb ihm dies als Seniorprofessor der Universität Tübingen ein großes Anliegen, auch dann noch, als ihn eine schleichende Krankheit immer stärker einschränkte. Für diese ausgedehnte wissenschaftliche Tätigkeit verlieh ihm der Präsident Ungarns, Dr. János Áder, 2014 das Ritterkreuz des Ungarischen Verdienstordens.
Anton Schindling hat seine Arbeit nicht nur als Beruf verstanden, sondern als Berufung leidenschaftlich gelebt und geliebt. Das ist in seinen Lehrveranstaltungen und Vorträgen deutlich geworden, wenn er die Zuhörer mit seiner Art, Geschichte zu erklären, faszinieren konnte. Er hat so einen großen Schülerkreis um sich geschart, den er immer wieder zu eigenständigen Forschungen anregen konnte. Zu vielerlei Anlässen hat er im Land und weit darüber hinaus in Veranstaltungen für seine Themen geworben und damit Verständnis und Zustimmung für die Geschichtswissenschaft geweckt. Er starb im Alter von 72 Jahren am 4. Januar 2020.