Professor Dr. Peter Kremsner ist Direktor des Instituts für Tropenmedizin und Vorstandsvorsitzender des infektionsmedizinischen Zentrums CIDiC am Universitätsklinikum Tübingen. Im Interview ordnet er das neue Coronavirus SARS-CoV-2 ein, erklärt und bewertet Ansätze zur Bekämpfung des Virus und spricht darüber, welche Exit-Strategien sinnvoll sind.
Was ist das Besondere an COVID-19?
COVID-19 ist eine neue Infektionskrankheit, die im Dezember erstmals in China aufgetreten ist. Seitdem hält sie die Welt in Bann, wie sonst keine Infektionskrankheit seit der großen Grippepandemie vor hundert Jahren. Es gibt eine ganze Serie von anderen Coronaviren, die vor allem Tiere befallen. Aber auch sechs weitere, die beim Menschen auftreten und uns krank machen können. Davon sind vier sogenannte ‚Erkältungsviren’, die auf der ganzen Welt auftreten, bei uns saisonal und seit langem bekannt sind. Sie haben aber eine sehr, sehr geringe Todesrate und verbreiten sich nicht so schnell, wie es bei COVID-19 der Fall ist. Zudem gibt es noch das Mers-Coronavirus, das ist eine besondere Form. Das sind Viren, die sich in Kamelen halten und zufällig auf den Menschen kommen, adaptieren und Krankheiten auslösen können. Sie sind auf den arabischen Raum beschränkt und es gibt nur 2500 Fälle. Und das SARS-CoV-1, das vor etwa 17 Jahren ausbrach, damals gab es etwa 8000 Fälle mit knapp 800 Todesfälle und das war es dann auch. Kaum war es da, verschwand es auch schon wieder.
Sie sind an mehreren Projekten beteiligt, die unterschiedliche Ansätze verfolgen. Welcher Ansatz ist ihrer Meinung nach der aussichtsreichste?
Es gibt zwei Ansätze, die wir verfolgen mit Hilfe von klinischen interventionellen Studien. Wir sind ja Tropenmediziner und Infektiologen und COVID-19 ist eine Erkrankung, die aus den Subtropen kommt. Malariamittel und Wurmmittel wirken im Reagenzglas gegen das Virus. Der eine Ansatz ist also, dass wir versuchen schon bekannte Mittel, wie das Malariamittel Hydroxychloroquin oder neue Mittel, auch antivirale Mittel, einzusetzen, um COVID-19 zu behandeln. Bei dem anderen Ansatz versuchen wir einen Impfstoff herzustellen. Wir sind aktuell bei zwei Impfstoff-Studien mit dabei. Bei beiden Studien werden wir die Phase 1 der klinischen Prüfung in Tübingen durchführen. Die erste Studie wird im Juni beginnen mit der Firma CureVac, dabei geht es um einen mRNA-basierten Impfstoff. Die zweite Prüfung führen wir mit einer Gruppe Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Kopenhagen voraussichtlich im September durch. Hier handelt es sich um einen Impfstoff, bei dem das Antigen in virusähnlichen Partikeln verpackt ist. Beide Ansätze sind aussichtsreich und stellen eine große Chance dar, dass wir die Infektionskrankheit dadurch eindämmen können.
Mit den Behandlungen kann man nur versuchen schon ausgebrochene COVID-19 Fälle so zu therapieren, dass die Krankheit nicht weiterschreitet und zu einem schweren Verlauf führt. Mit den Impfstoffen kann man hingegen eine Prävention im großen Stil betreiben. Wenn es ausreichend Impfstoff gibt, können wir COVID-19 ein Ende setzen oder so eindämmen wie die Masern.
Was ist Ihrer Meinung nach die richtige Strategie im Kampf gegen COVID-19?
Es gibt vielfältige Maßnahmen, die sehr sinnvoll sind. Die Einschränkungen von Sozialkontakten und das Abstandhalten ist das Wesentliche, was wir im Moment präventiv machen können. Langfristig wird sich das mit unserer Art zu leben und mit unserer Wirtschaft nicht halten lassen. Daher brauchen wir so schnell es geht einen sicheren und wirksamen Impfstoff, der hoffentlich im Winter bereitsteht. Vielleicht gibt es dann sogar zwei oder drei Impfstoffe, die flächendeckend eingesetzt werden können, um SARS-CoV-2 zu besiegen.
Das Interview führte Alisa Koch