Uni-Tübingen

Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 3/2022: Forschung

Data Science nah am Labor

Das Tübinger Zentrum für Quantitative Biologie (QBiC) feiert sein 10-jähriges Jubiläum

Seit 2011 unterstützt das Zentrum für Quantitative Biologie (QBiC) als Core Facility der Universität Tübingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Lebenswissenschaften dabei, Experimente zu planen und die dabei generierten Daten auszuwerten. Am QBiC kommen alle großen Datenmengen aus den so genannten Hochdurchsatztechnologien des Campus zusammen. Das Zentrum bündelt das Know-How von insgesamt zehn Tübinger Einrichtungen, die über eine ausgezeichnete Ausstattung und Kompetenz in der biomedizinischen Analytik und der Bioinformatik verfügen. Johannes Baral sprach mit Prof. Dr. Sven Nahnsen, Bioinformatiker und Direktor des QBiC, über die bisherige und zukünftige Entwicklung der Core Facility. 

Wie hat sich QBiC in den zehn Jahren seit der Gründung entwickelt?

Es war und ist eine spannende Zeit. Wir haben damals mit vielerlei Zielen begonnen. Eines der Ziele war, bereits existierende lebenswissenschaftliche Einrichtungen, so genannte Core Facilities, mit ihren Services und Technologien zugunsten eines homogenen Auftretens zusammenzubringen. Die Intention war nicht, diese Core Facilities als gemeinsame Einrichtung unter einem Dach physisch zusammenzufassen, sondern sie in ihren bisherigen Forschungsbereichen zu lassen, wo sie direkt bei ihren wissenschaftlichen Fragestellungen sind. Vielmehr sollte es darum gehen, als große Core Facility QBiC ein gemeinsames Daten- und Projektmanagement-Konzept zu haben. 
Da Forschungsdaten immer wichtiger geworden sind, war eine weitere Zielsetzung, große Datenmengen aus der lebenswissenschaftlichen Forschung zu annotieren und zu archivieren - und das in enger Zusammenarbeit mit den bestehenden Core Facilities, die diese Daten ja generieren. Wir haben da relativ einfach angefangen und dann gemerkt, dass uns so eine Infrastruktur auch einen Wettbewerbsvorteil für das Einwerben für zukünftige Forschungsgelder verschaffen kann. Ich denke, dass wir diese Vision nach zehn Jahren auch gut in die Praxis umgesetzt haben. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die beispielsweise Unterstützung bei Sequenzierung, Massenspektrometrie, Bioinformatik oder auch nur bei der Datenhaltung benötigen, bekommen das von uns aus einer Hand.
Das QBiC ist breit aufgestellt und wird durch drei Grundpfeiler getragen: Sven Fillinger leitet unsere IT-Infrastruktur und das Softwareentwicklungsteam, Dr. Gisela Gabernet leitet das R&D Team und Dr. Stefan Czemmel das Team für Projektmanager und bioinformatische Unterstützung.

Betreibt QBiC auch selbst Forschung?

Ja, bei unserer eigenen Forschungsarbeit geht es vor allem um die Methodenforschung. Das heißt, dass wir datenwissenschaftliche Methoden weiterentwickeln, die dann wiederum in Services für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler einfließen. Meines Erachtens ist es sehr wichtig, dass Core Facilities eine eigene Forschungsagenda haben.   

QBiC wird auch aus Mitteln der Exzellenzstrategie gefördert.

Die Erfolge der Universität Tübingen bei der Exzellenzinitiative, beziehungsweise inzwischen: Exzellenzstrategie, haben uns immens geholfen. Parallel gab es aber auch noch von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) die Möglichkeit, Mittel aus einem dedizierten Core Facility Call als Start-Up Funding für QBiC zu gewinnen. Beides kam dann 2011 und 2012 zusammen. Wir haben Stellen, die aus Exzellenzmitteln finanziert sind, daher ist uns auch viel daran gelegen, mit den anderen Einrichtungen der Universität an einem Strang zu ziehen und die Exzellenz in Tübingen zu behalten. Ohne die Exzellenzstrategie wäre es sicherlich nicht möglich gewesen, aus QBiC das zu machen, was es heute ist. Und wir hoffen, dass wir als Core Facility im Gegenzug zu künftigen Erfolgen der Universität Tübingen beitragen können.

Welche Highlights gab es in den zehn Jahren QBiC?

Da wäre auf jeden Fall zu nennen, dass wir zusammen mit der Medizinischen Mikrobiologie und der Humangenetik eins von vier nationalen, von der DFG geförderten Sequenzierzentren nach Tübingen holen konnten. Außerdem haben wir bei bioinformatischen Workflows einige bahnbrechende Entwicklungen gemacht. Wir haben beispielsweise mit einem Software-Framework, das wir nf-core genannt haben, eine Technologie geschaffen, die jetzt auch in anderen Core Facilities weltweit zum Einsatz kommt. Diese Technologie lässt eine sehr skalierbare, reproduzierbare und einfache bioinformatische Prozessierung von großen Datensätzen zu. Es handelt sich bei nf-core um eine Initiative, an der einige tausend Bioninformatikerinnen und Bioinformatiker weltweit beteiligt sind. Wissenschaftlich eine sehr spannende Sache, die QBiC viel Sichtbarkeit beschert hat. Im Laufe der Jahre kamen auch immer wieder andere Institutionen wie beispielsweise das Robert-Koch-Institut oder die Universität Basel auf uns zu und baten um Unterstützung bei der Entwicklung von Konzepten für die Einrichtung ihrer eigenen Core Facilities. 

Aus welchen Fachbereichen kommen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die am QBiC arbeiten?

Unsere Kernexpertise liegt in den Bereichen Bioinformatik und Softwareentwicklung und im Anwendungsbereich der Biomedizin; durch unsere Anwendungsbereiche sind wir mit unseren Fragestellungen und Zielsetzungen immer nah am Labor. Um die Daten zusammenzubringen, ist es essenziell, sehr intensiv mit den Kolleginnen und Kollegen im Labor zusammenzuarbeiten, wo die Daten generiert werden. Daten sind nur wieder nutzbar, wenn sie vollständig annotiert sind. Also wenn wir von der initialen Projektbeschreibung über die Beschreibung der Proben bis zu den Labormethoden alle zusätzlich notwendigen Zusatzinformationen in der Datenbank erfasst haben. Nur dann können wir Daten auch für andere Forschungsprojekte erneut nutzbar machen. 

Welche Services bietet QBiC im Einzelnen an?

Wir decken im Wesentlichen die komplette Datenschöpfungskette ab. Wir bieten beispielsweise Experimentaldesign an. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler kommen zu uns und wir designen das geplante Experiment, wenn es zu unserer Expertise mit Hochdurchsatztechnologien passt. Wir übernehmen die Erfassung der Metadaten. Wenn also beispielsweise jemand mit einer Studie zu Krebs an uns herantritt, dann erfassen wir alle beschreibenden Daten in strukturierten Datenmodellen. Das ist dann der erste Teil des Datenmanagements. Der nächste Schritt ist dann die Datengenerierung, was wir auch als Service anbieten. Das findet aber nicht unter unserem Dach statt, sondern über Kooperationsverträge in Partnereinrichtungen. Wenn die Daten generiert sind, gehört zum Datenmanagement dazu, dass diese wieder zu uns zentral kommen. Schließlich bieten wir dann noch die Datenauswertung an. Das wäre das Gesamtpaket, aus dem sich die Forscherinnen und Forscher aber auch die einzelnen Bestandteile herausgreifen können. 

Wer nutzt die Services von QBiC? Sind das vor allem Tübinger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler?

Ja, wir haben die Serviceeinrichtung primär für den Forschungsstandort Tübingen geschaffen. Das heißt, zu uns kommen vor allem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von der Universität Tübingen, beispielsweise von der Medizinischen Fakultät, aber auch von den Max-Planck-Instituten. Da wir aber gemerkt haben, dass unsere Angebote auch darüber hinaus interessant sind, stehen diese auch externen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern offen. Und es gibt natürlich auch gelegentlich Firmen, die unsere Spezialexpertise für Forschungsprojekte anfragen. 

Was steht bei QBiC in nächster Zeit an?

Wir werden die Integration von Core Facilities weiter vorantreiben. Die Analyseeinheit Metabolomics ist hier sehr wichtig. Neben dem Fokus auf die Omics-Technologien, also die Hochdurchsatztechnologien, spielt die Bildgebung eine immer größere Rolle. Die Bildgebung produziert immer größere Datenmengen, beispielsweise in der Mikroskopie oder der medizinischen Bildgebung. Das ist ein technologisches Standbein, das wir in jedem Fall ausbauen werden. Außerdem ist Maschinelles Lernen auch für uns ein großes Thema. Unsere Prämisse ist hier, eine Schnittstelle zu bilden. Wir wollen Forschungsdaten so aufbereiten, dass wir effizient mit Methoden des Maschinellen Lernens darauf zugreifen können. Da sehen wir viel Potential, beispielsweise in der Behandlung von Krebspatienten oder in der Antibiotikaforschung. Rein datenwissenschaftlich gesehen wird es wichtiger werden, auch externe Datenbestände bei uns einzubinden. Auch damit werden wir uns in den nächsten Jahren verstärkt befassen.

Webseite von QBiC 

Johannes Baral