Die Psychologin und Neurowissenschaftlerin Dr. Marie-Luise Schreiter setzt sich ein für eine engere Zusammenarbeit von praktizierenden Psychologen und Psychotherapeuten einerseits sowie Neurowissenschaftlern und Experimentalpsychologen andererseits. Im Juli veranstaltet sie eine internationale Tagung mit dem Titel: „Brückenschlag zwischen therapeutischer Praxis und Grundlagenforschung“. Diese wird gefördert von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.
Basic research for better treatment methods in psychotherapy (English version)
Frau Schreiter, Sie betreiben Grundlagenforschung im Fachbereich Psychologie. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Verhaltens- und Kognitionskontrolle.
Mich interessiert ganz allgemein, wie sich emotionale Gefühlszustände auf die Kontrolle und Lenkung unserer Aufmerksamkeit und unsere Verhaltenskontrolle auswirken. Ein Verständnis dafür ist nicht nur für gesunde Menschen wichtig, sondern ist auch für das Verständnis psychiatrischer Problematiken essentiell. Denn: eine Reihe von Diagnosen, unter anderem ADHS, Autismus aber auch Depression und Angststörung gehen mit Schwierigkeiten einher, emotionale Zustände zu regulieren und entsprechende Auswirkungen von Emotion auf das Verhalten und die Wahrnehmung kontrollieren zu können.
In der Therapie und klinischen Praxis geht es häufig darum, wie Menschen mit psychiatrischen Krankheiten wieder mehr Kontrolle über ihre Emotionen bzw. ihre emotionale Verarbeitung erlangen. Viele Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen wie auch Klinikerinnen und Kliniker setzen dafür auf Kommunikationsstrategien, die mit der (visuellen) Wahrnehmung und dem Vorstellungsvermögen zu tun haben – und das sehr erfolgreich.
Ich möchte Methoden, durch die die Kontrolle über Körper- und Emotionswahrnehmung verändert wird, in Tübingen tiefergehend wissenschaftlich untersuchen. Dazu möchte ich als erstes in einer Datenbank dokumentieren, wie gut Menschen Kontrolle über ihrer Imaginationsfähigkeit haben. Im nächsten Schritt werde ich untersuchen und dokumentieren, wie man bei Menschen entsprechend Emotionen modulieren, also verändern kann, und ob sich das messbar auf kontrolliertes Verhalten auswirkt.
Wie kann die Veränderung der Emotionswahrnehmung durch Kommunikationsstrategien konkret aussehen?
Bei Menschen mit Angststörungen beispielsweise tritt häufig eine Veränderung der Wahrnehmung von uneindeutigen Gesichtsausdrücken auf. Diese Patientinnen und Patienten ordnen tendenziell Gesichtsausdrücke, die eigentlich neutral sind, als emotional negativ oder bedrohlich ein. In einer Therapie versucht man dann mit detaillierten Geschichten, die Imaginationstechniken oder suggerierte Erlebnisse beinhalten, die Wahrnehmung der Patienten zu triggern bzw. so zu modulieren, dass sie bei der nächsten Begegnung dieses Gesicht als weniger bedrohlich wahrnehmen.
Manche Patienten erhalten dabei wieder ein Stück weit mehr Kontrolle über ihre Gefühle: die negativen Gefühle werden noch gespürt, aber auf der Ebene der Wahrnehmung verstehen diese Menschen dann, dass das Angstgefühl das Ergebnis ihrer subjektiven Interpretation der bestimmten Situationen oder Begegnungen ist. Das Bedrohungsgefühl ist dadurch weniger stark ausgeprägt, da es kontrollierbarer wirkt.
Das sind therapeutische Strategien, mit denen Therapeuten schon sehr lange arbeiten. Aber es gibt noch ganz wenig wissenschaftliche Untersuchungen, warum bestimmte Strategien gut funktionieren bzw. bei welchen Menschen bestimmte Strategien gut oder schlecht funktionieren.
Sie haben sich in Ihrer wissenschaftlichen Karriere viel mit Wahrnehmung beschäftigt. Ihre Promotion haben sie in der Neurophysiologie abgelegt, darüber haben Sie auch eine Ausbildung als systemische Psychotherapeutin.
Ich habe bis zur Promotion in England studiert und geforscht. Dabei habe ich viel Grundlagenforschung gemacht und mich vor allem mit Wahrnehmungsphänomenen wie der Synästhesie beschäftigt. Die Synästhesie ist keine Erkrankung, sondern eine faszinierende Normvariante der menschlichen Wahrnehmung: zwei Sinne, die normalerweise getrennt voneinander funktionieren, sind miteinander korreliert. Die Ausprägung kann sehr unterschiedlich und individuell sein, es gibt 80 verschiedene Arten der Synästhesie. Zum Beispiel kann es sein, dass diese Menschen den Wochentag Freitag immer mit der Farbe Blau verbinden. Andere verbinden mit dem Klang einer Trompete immer den Geschmack von Erdbeeren.
Später habe ich ein Praktikum bei einem klinischen Psychologen gemacht und gelernt, dass die Wahrnehmung auch bei psychiatrischen Krankheiten verändert sein kann. Nach Abschluss meines Studiums in England habe ich eine systemische Ausbildung zur Psychotherapeutin gemacht und in der Folge mehrere Jahre als Klinikerin in der Praxis gearbeitet – parallel zu meiner Forschungsarbeit.
Ich stelle mir immer wieder die Frage: welche gesellschaftliche Relevanz hat meine Forschung? Wie kann meine Forschungsarbeit in neue Behandlungsmethoden zugunsten der Patienten einfließen?
Die gegenwärtige Mental Health Crisis in Folge der Corona-Pandemie – mit sehr vielen psychiatrischen Herausforderungen – hat mich in dieser Einstellung weiter bestärkt.
Deswegen setzen sich ein für einen verstärkten Austausch zwischen Grundlagenforschung und klinischer Praxis bzw. Therapie…
Genau. In der klinischen Psychologie und der experimentellen Psychologie haben aktuell bereits einfache Konstrukte oder Begriffe, wie emotionale Regulation, Kontrolle Stress oder Erregung, unterschiedliche Bedeutungen oder lösen unterschiedliche Assoziationen aus. Oftmals messen wir in der Grundlagenforschung ein Konstrukt auf eine Art und Weise, die für Psychotherapeuten in der Praxis keine unmittelbare Bedeutung haben.
Konstrukte in der experimentellen Psychologie sind nicht direkt beobachtbare Eigenschaften oder Dimensionen, die aufgrund einer (Verhaltens-) Beobachtung oder eines Tests gemessen bzw. erschlossen werden müssen, wie z.B. Intelligenz oder Kreativität. Wenn aber die Bedeutung eines Begriffes oder Konstruktes nicht klar ist – wie kann ich dann überhaupt messen? Was müssen wir überhaupt bei einem Menschen messen, um – objektive, aber auch subjektive – Standards festzulegen zu können, ob diese Person leidet, wie stark diese Person leidet, welche Form einer Behandlung oder Therapie diese Person braucht? Um diese Standards wieder präziser zu definieren, benötigen wir eine viel engere Zusammenarbeit von praktizierenden Psychologen und Psychotherapeuten mit Neurowissenschaftlern und Experimentalpsychologen.
Im Juli organisieren Sie jetzt in Heidelberg eine große internationale Fachtagung mit dem Titel „Brückenschlag zwischen therapeutischer Praxis und Grundlagenforschung“…
Obwohl die psychotherapeutische Praxis und die psychologische Wissenschaft beide aus der Neurologie hervorgegangen sind, haben die Unterschiede in der Terminologie, den Arbeitskonzepten und den Perspektiven dazu geführt, dass sich ihre Zusammenarbeit während des 20. Jahrhunderts eher verringert als das sie verstärkt wurde. In der Tat haben klinisch arbeitende Psychologen eine metaphernreiche Sprache des Geistes und des Gehirns entwickelt, während die kognitiven Neurowissenschaften und die experimentelle Psychologie eine detaillierte Datenbank der Beziehungen zwischen Gehirn und Verhalten aufgebaut haben. Wie sich aber die Daten über die Beziehungen zwischen Gehirn und Verhalten auf klinisch relevante Konzepte und Interventionen übertragen lassen – diese Frage wird leider selten diskutiert.
Psychologische Probleme wirken sich auf mehreren Ebenen auf die Gesundheit eines Menschen aus und verändern die zugrunde liegenden physiologischen, wahrnehmungsbezogenen, emotionalen und kognitiven Prozesse. Wir brauchen daher ein Forum für den interdisziplinären Austausch zwischen Expertinnen und Experten der grundlegenden Hirnforschung einerseits und praktisch tätigen Therapeutinnen und Therapeuten sowie Klinikern andererseits.
Die von mir organisierte Konferenz will Expertinnen und Experten sowie Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler auf dem Gebiet der Wahrnehmung, Kognition und Emotion zusammenbringen. Gleichzeitig sind erfahrene Klinikerinnen und Kliniker, aber auch junge Therapeutinnen und Therapeuten eingeladen, ihr praktisches Wissen sowie ihre Erfahrungen mit Patienteninnen und Patienten über erfolgreiche Verhaltens- und psychologische Veränderungen durch Psychotherapie zu teilen.
Dieser Austausch soll helfen, künftige Forschungsrichtungen zu ermitteln, neue wertvolle Forschungsfragen für die Grundlagenwissenschaften zu formulieren und Praxisleitlinien für Kliniken und Therapie neu zu bewerten.
Ich bin sehr stolz und auch dankbar, dass die Heidelberger Akademie der Wissenschaft diese Konferenz mit einem Award fördert. Die Akademie finanziert die Anreise der Keynote-Speaker, stellt ihre Räumlichkeiten in Heidelberg sowie Hilfe bei der Organisation zur Verfügung.
Basic research for better treatment methods in psychotherapy (English version)
Das Interview führte Maximilian von Platen
Veranstaltungsort und Webseite
Kontakt und Registrierung
Hauptziele der Konferenz:
Einreichung von Beiträgen / Call for papers:
Wir freuen uns auf Beiträge (Vorträge oder Poster) von Nachwuchswissenschaftler/-innen, die zum Austausch zwischen den psychologischen Disziplinen beitragen möchten. Aufgrund der begrenzten Verfügbarkeit von Plätzen werden wir Anmeldungen mit einem Beitrag bevorzugen, aber es sind auch einige Plätze für angemeldete Gäste ohne Beitrag verfügbar.
Wir übernehmen die Reisekosten und die Unterbringung von Teilnehmern, deren Beitrag als Vortrag in einem der Symposien angenommen wurde (Themen für Vorträge könnten sein: Computational Psychiatry, Interventionen, Emotionsregulation, subjektives Erleben, zugrundeliegende Mechanismen von Kognition-Emotion-Interaktionen, Psychotherapie). Die Teilnehmer/-innen, die einen Vortrag einreichen, werden gebeten, eine Zusammenfassung (Abstract) sowie ein kurzes Statement darüber abzugeben, wie ihr Beitrag für die Zusammenarbeit zwischen wissenschaftlicher Forschung und therapeutischer Praxis wertvoll ist.
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