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Newsletter Uni Tübingen aktuell Nr. 1/2025: Leute

Vielseitiger Philologe und Hispanist und Begründer des Chors Romania Cantat

Zum Tode von Professor Dr. Francisco Javier Oroz Arizcuren ein Nachruf von Wiltrud Mihatsch

Am 24. September 2024 verstarb Professor Dr. Francisco Javier Oroz Arizcuren, „Paco“, im Alter von 89 Jahren, der bis 2000 eine Professur für Romanische Philologie am Romanischen Seminar der Universität Tübingen innehatte.

Francisco Javier Oroz wurde am 2. Dezember 1934 in Beriain, einem Dorf bei Pamplona in Navarra, geboren und wuchs im Bürgerkrieg und in der Franco-Diktatur in einer Bauernfamilie auf. Die Schule musste er früh, bereits im Alter von 10 Jahren, verlassen, um zu arbeiten. Als jedoch argentinische Steyler Missionare auf ihn und seine Begabung vom Dorfpfarrer aufmerksam gemacht wurden, nahm man ihn im Internat der Steyler Patres in Estella auf. 

Damit eröffneten sich für ihn neue Chancen und er schlug den Weg der Priesterausbildung ein. Nach dem Theologiestudium in Rom gelangte er ins deutsche Priesterseminar der Steyler Missionare in St. Augustin bei Bonn. Mit gerade 23 Jahren entschied sich jedoch für einen anderen Weg. Er erhielt in Köln 1960 die Möglichkeit, das Abitur nachzuholen und begann in Münster mit dem Studium des Magister Artium der französischen, spanischen und lateinischen Philologie. In seiner Magisterarbeit behandelte er die mittelalterliche okzitanische Troubadourlyrik. Diesem Themenbereich war auch seine Dissertation zur religiösen Lyrik in der altprovenzalischen Literatur gewidmet, die er 1968 abschloss. Neben seiner Leidenschaft für die Philologie hatte er sich bereits früh ein zweites Standbein in der Musik geschaffen: er komponierte und arbeitete zeitweise auch als Organist. 

1968 übernahm er eine Stelle als Spanischlektor am Romanischen Seminar in Tübingen. In dieser Zeit weckte Antonio Tovar sein wissenschaftliches Interesse an der Althispanistik und den vorrömischen Sprachen der Iberischen Halbinsel, denen er zahlreiche Publikationen widmete. Gleich zu Beginn seiner Tätigkeit in Tübingen übernahm er den 1934 gegründeten, dann aber eingeschlafenen Romanistenchor, der unter seiner Leitung wieder aufblühte und der als Chor Romania Cantat sowohl bei universitären Veranstaltungen als auch bei Auswärtskonzerten das Publikum begeisterte.  Das wachsende Repertoire des Chors umfasste Lieder aller romanischer Sprachen und vieler romanischer Dialekte sowie auch anderer Sprachen in der Romania. Oroz komponierte dabei selbst unzählige mehrstimmige Sätze, an die 100 Kompositionen veröffentlichte er in mehreren Bänden, für mehrere Kompositionen erhielt er Preise.

1981 habilitierte er sich und erhielt die Venia Legendi für Romanische Philologie, mit Schwerpunkt auf der hispanischen Philologie. In dieser Zeit initiierte er ein Projekt, das ihm bis zuletzt am Herzen lag, der Übersetzung des baskischen Gedichts Nire aitaren etxea ‚Meines Vaters Haus‘ von Gabriel Aresti (1933-1975) in zahlreiche Sprachen und Dialekte der ganzen Welt. In dem Gedicht thematisiert Aresti den Drang nach der Verteidigung der eigenen kulturellen Identität. Ab 1983 trug Oroz Übersetzungen des Gedichts zusammen, 1983 wurde ein erstes Bändchen mit 17 Übersetzungen zugunsten der Überschwemmungsopfer in Gernika publiziert, 1987 erschien ein Band mit 150 Übersetzungen in europäische Sprachen.

Francisco Javier Oroz trat 1988 die Nachfolge von Reinhold Kontzi am Romanischen Seminar in Tübingen an und übernahm die C3-Professur mit Schwerpunkt auf der hispanischen Philologie. Von 1992 bis 1993 engagierte er sich als Studiendekan der damaligen Neuphilologischen Fakultät. 2006 wurde er zum Ehrenmitglied der Königlichen Akademie der Baskischen Sprache ernannt. Er hinterlässt ein beeindruckendes Lebenswerk, neben 100 Kompositionen veröffentlichte er insgesamt über 100 Arbeiten überwiegend aus den Themenbereichen der mittelalterlichen und vorrömischen Philologie, publizierte aber auch wichtige Bände als Herausgeber, die sein ganzes Spektrum an Forschungsinteressen zeigen. Beispielhaft mögen die folgenden wichtigen Publikationen hier genannt werden: 

  • Romania Cantat, Lieder in alten und neuen Chorsätzen mit sprachlichen, literarischen und musikwissenschaftlichen Interpretationen, 2 Bde, Festschrift zum 85. Geburtstag von Gerhard Rohlfs. Gunter Narr Verlag Tübingen, 1980.
  • Navicula Tubingesis, Studia in honorem Antonii Tovar, Gunter Narr Verlag Tübingen, 1984.
  • Nire aitaren etxea, I. Linguae Europae, Attempto Verlag Tübingen, 1987.

Auch im Ruhestand verfolgte er seine vielfältigen musikalischen und philologischen Projekte weiter. Bis zur Pandemie 2020 leitete er den Chor des Romanischen Seminars Romania Cantat. Bei seinem Begräbnis fanden sich Sängerinnen und Sänger seines Chores zusammen, um noch einmal für ihn zu singen.

Das Romanische Seminar trauert um Paco Oroz, den leidenschaftlichen Musiker und exzellenten Philologen und nicht zuletzt den überaus herzlichen Menschen. Er hinterlässt seine Frau Christa, seine Tochter und seinen Sohn sowie fünf Enkel.

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