Wie kommt man als Schreibender eigentlich zu seinem Material? Was steht am Anfang des Gedichts, eine lose Idee, ein Thema gar, das mich zu meinen Recherchen treibt, auf dass ich mir nach und nach etwas ausdenke, die vermeintlichen Fakten mit Fiktion anreichere? Oder ist es nicht umgekehrt so, dass ein unscheinbarer Impuls da sein muss, auf den ich vielleicht gar nicht reflektierend zugreifen kann (ein Moment der Erinnerung, ein Bild, das sich irgendwo abgesprengt, ein Sprachteilchen, das sich in mir festgesetzt hat). Und dann sind es die Möglichkeiten der Sprache, Klangassoziationen etwa, rhythmische Bögen oder bestimmte Wörter, die den „Stoff“ gestalten oder recht eigentlich hervorbringen.
Vielleicht ist gerade das Gedicht die geeignete literarische Form, die zahllosen Stimmen der Gegenwart hörbar und spürbar zu machen. Wir wollen uns an selbst geschriebenen Gedichten ansehen, auf welch unterschiedliche Weisen sich Klang, Rhythmus und die Schichten der Bedeutung durchdringen können. Dazu werden wir uns an kleinen Schreibübungen versuchen und bei einigen Dichterinnen und Dichtern der Gegenwartslyrik nachfragen, wie sie zu ihrem Stoff kommen, bei Marcel Beyer etwa oder Jürgen Becker.
