Uni-Tübingen

Prof. Dr. Peter Koch

Professor Dr. Peter Koch * 01.03.1951 † 07.07.2014

Wir trauern um den Romanisten und Linguisten Peter Koch, der plötzlich und unerwartet am 7. Juli 2014 verstorben ist. Für das Graduiertenkolleg 1808 »Ambiguität« ebenso wie für den SFB 833 »Bedeutungskonstitution« bedeutet dies einen unersetzlichen Verlust. Peter Koch hat durch seine mit höchstem internationalen Ansehen verbundene, außergewöhnliche wissenschaftliche Leistung, vor allem aber auch durch seinen unermüdlichen Einsatz für den akademischen Nachwuchs Maßstäbe gesetzt. Seine Leidenschaft, Präzision und Geduld als Forscher und als Betreuer wissenschaftlicher Arbeiten werden uns Vorbild bleiben. Wie kaum ein anderer hat er es verstanden, in der Zusammenarbeit mit KollegInnen und SchülerInnen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Dies machte ihn zu einem idealen Projektleiter und Betreuer im Sonderforschungsbereich und im Graduiertenkolleg. Das GRK 1808 hätte es ohne ihn nie gegeben; er gehörte zu seinen Initiatoren, die von 2008 bis 2011 bereits im Promotionsverbund »Dimensionen der Ambiguität« zusammengearbeitet haben. Der SFB verliert einen Projektleiter, an dessen persönlicher Integrität wir uns ein Beispiel nehmen werden. Wir werden unsere Arbeit im Gedenken an Peter Koch weiterführen.

Einen von Johannes Kabatek verfassten Nachruf finden Sie hier (auf romanistik.de).

Einen weiteren Nachruf von Richard Waltereit finden Sie hier (auf linguistlist.org).

 

Zum GRK Ambiguität

Probleme der Ambiguität beschäftigten Peter Koch über zwei Jahrzehnte im Rahmen seiner Forschungen zur historischen und kognitiven Semantik (hier insbesondere zur Metonymie) sowie zur lexikalischen Motivation in der Synchronie, wo Polysemie als eine über metonymische, metaphorische u.a. Relationen vermittelte Form der Ambiguität eine wichtige Rolle spielt. Ambiguität innerhalb der grammatikalischen Diachronie ist Thema des von ihm geleiteten SFB-Projekts C4 (s.u. „Forschung“). Im Rahmen der Doktorandenausbildung wurde das Thema für ihn im Promotionsverbund »Dimensionen der Ambiguität« aktuell (2008-2011), zu dessen Antragstellern und Betreuern er gehörte.

 

Biographie

Das Studium der Romanistik und Latinistik in Göttingen, Poitiers und Freiburg /Brsg. wurde 1975 mit dem 1. Staatsexamen abgeschlossen; es folgte 1979 die Promotion in Romanischer Philologie (Dissertation 1981 publiziert als Verb ∙ Valenz ∙ Verfügung. Zur Satzsemantik und Valenz französischer Verben am Beispiel der Verfügungs-Verben). 1980 wurde das 2. Staatsexamen abgelegt. Die Habilitation erfolgte 1987 in Freiburg/Brsg. mit der Arbeit Distanz im Dictamen. Zur Schriftlichkeit und Pragmatik mittelalterlicher Brief- und Redemodelle in Italien. Peter Koch war Professor für Romanische Sprachwissenschaft an der Universität Mainz (1988-90) sowie der FU Berlin (1990-96) und ist seit Oktober 1996 an der Universität Tübingen.

 

Forschung

Peter Koch war an mehreren Forschungsverbünden und Drittmittelprojekten innerhalb und außerhalb der Universität Tübingen beteiligt (zur Liste weiterer Forschungsprojekte), zu denen auch das GRK 1808 gehört. 1997-2003 leitete er, zunächst zusammen mit Andreas Blank (†), Marburg, das DFG-Projekt DECOLAR (Dictionnaire étymologique et cognitif des langues romanes: Les parties du corps humain). Innerhalb des Tübinger SFB 441 Linguistische Datenstrukturen (1999-2008) unterstand ihm das Projekt B6 Lexikalischer Wandel – Polygenese – kognitive Konstanten/Lexikalische Motivation im Französischen, Italienischen und Deutschen. Innerhalb des gegenwärtigen Tübinger SFB 833 Bedeutungskonstitution leitet er seit 2009 das Projekt C4 Ambiguitätsphänomene in der Diachronie romanischer Sprachen: Verb und Aktanten. Ab April 2013 war er Tübinger Teilprojektleiter innerhalb des im Bereich der e-Humanities geförderten BMBF-Projektes Computational Historical Semantics (in Zusammenarbeit mit den Universitäten Frankfurt/M., Bielefeld und Regensburg). Seine Forschung umfasst – jeweils mit schwerpunktmäßiger Anwendung auf die romanischen Sprachen – die Thematik ‚Mündlichkeit und Schriftlichkeit‘ in Synchronie und Diachronie, die Valenz- und Kasustheorie, die lexikalische Typologie sowie die diachronische und synchronische Lexikologie. In den beiden letztgenannten Bereichen stehen Ansätze der Kognitiven Semantik und der Konstruktionsgrammatik im Vordergrund. In diesen Forschungszusammenhang gehört auch das Interesse an Ambiguität.

 

Lehre

Peter Koch vertrat in der Lehre die allgemeine romanische Sprachwissenschaft (zur Liste der Lehrveranstaltungen). Sprachliche Schwerpunkte sind v.a. Französisch und Italienisch, ferner Spanisch, Sardisch sowie romanische Kreolsprachen. Die Spanne reicht in der Diachronie zurück bis zu den ältesten Sprachstufen und umfasst sowohl die interne wie die externe Sprachgeschichte. In der modernen Synchronie liegen Schwerpunkte in den Bereichen der lexikalischen Semantik/Wortbildung, Syntax, Sprachtypologie und Varietätenlinguistik. Thematisch in den Vordergrund traten in den letzten Semestern – neben Fragen der Ambiguität – die Vergleichende Sprachgeschichte auf varietätenlinguistischer Grundlage und die Konstruktionsgrammatik. Interdisziplinäre Veranstaltungen fanden in den letzten Jahren zusammen mit Kollegen von der Allgemeinen Rhetorik, der Latinistik und der romanistischen Literaturwissenschaft statt. In enger Zusammenarbeit mit klassischen Philologen und romanistischen Literaturwissenschaftlern war Peter Koch 2011/12 federführend bei der Entwicklung und erstmaligen Durchführung des linguistischen Parts des völlig neu konzipierten Tübinger Kurstyps Latein für Romanisten (zur Vermittlung der jetzt nach der GymPO erforderlichen „Lateinkenntnisse“, anstelle des „Latinums“).

 

Weitere Aktivitäten

Peter Koch war Mitglied der Heidelberger Akademie der Wissenschaften. – Zusammen mit Daniel Jacob, Andreas Kablitz, Bernhard König, Margot Kruse, Joachim Küpper und Christian Schmitt war er Herausgeber einer der renommiertesten romanistischen Fachzeitschriften, des Romanistischen Jahrbuchs (http://www.degruyter.com/view/j/roma). – Im Rahmen des vom Institut de Linguistique Française gefördeten Projektes der Grande Grammaire Historique du Français (http://www.unice.fr/bcl/rubrique137?lang=de) oblag ihm die Federführung für den Teil 9 „Lexique et sémantique lexicale“. – Peter Koch war 2000-03 Fachgutachter für Romanische Sprachwissenschaft bei der DFG und 2001-04 Vorsitzender des Deutschen Italianistenverbandes.

Publikationen zum Thema »Ambiguität«

  • Koch, Peter (2012). “The Pervasiveness of Contiguity and Metonymy in Semantic Change.” Current Methods in Historical Semantics. Eds. Kathryn Allan & Justyna A. Robinson. Berlin: de Gruyter. 259-311.
  • Bauer, Matthias; Joachim Knape, Peter Koch & Susanne Winkler (2010). „Dimensionen der Ambiguität.“ Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 158. 7-75.
  • Koch, Peter; Esme Winter-Froemel (2009). „Synekdoche.“ Historisches Wörterbuch der Rhetorik, Bd. IX. Hg. Gert Ueding. Tübingen: Niemeyer. 356-366.
  • Bauer, Matthias; Joachim Knape, Peter Koch & Susanne Winkler (2009). „‚Disarmed‘: Ein interdisziplinäres Gespräch über Ambiguität am Beispiel eines kausativen Verbs.“ Dimensionen der Zweitsprachenforschung / Dimensions of Second Language Research: Festschrift für Kurt Kohn. Hg. Michaela Albl-Mikasa, Sabine Braun & Sylvia Kalina. Tübingen: Narr. 253-276.
  • Koch, Peter (2008). „Höflichkeit und Metonymie.“ Der gepflegte Umgang: Interkulturelle Aspekte der Höflichkeit in Literatur und Sprache. Hgg. Dorothee Kimmich & Wolfgang Matzat. Bielefeld: Transcript-Verlag. 143-184.
  • Koch, Peter (2004). “Metonymy between Pragmatics, Reference and Diachrony.” metaphorik.de 07. 6-54.
  • Koch, Peter (2001). „Bedeutungswandel und Bezeichnungswandel: Von der kognitiven Semasiologie zur kognitiven Onomasiologie.“ Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 121. 7-36.
  • Koch, Peter (2001). “Metonymy: Unity in Diversity.” Journal of Historical Pragmatics 2.2. 201-244.
  • Koch, Peter (2001). «As you like it. Les métataxes actantielles entre Expérient et Phénomène.» La valence, perspectives romanes et diachroniques. Éd. Lene Schøsler. Stuttgart: Steiner. 59-81.
  • Koch, Peter (1995). „Der Beitrag der Prototypentheorie zur Historischen Semantik: Eine kritische Bestandsaufnahme.“ Romanistisches Jahrbuch 46. 27-46.
  • Koch, Peter; Daniela Marzo (2007). “A Two-Dimensional Approach to the Study of Motivation in Lexical Typology and Its First Application to French High-Frequency Vocabulary.” Studies in Language 31.2. 259-291.

 

Weitere Publikationen

Ein vollständiges Verzeichnis aller Publikationen findet sich hier.