Fachgebiete: Empirische Kulturwissenschaft, Europäische Ethnologie
Der seit Anfang der 1980er Jahre einsetzende Staatszerfall Jugoslawiens, die Unabhängigkeitserklärungen von Slowenien und Kroatien 1991, die darauffolgenden ‚Balkan-Kriege‘, vor allem aber die nationalistische Politik des kroatischen Staatspräsidenten Franjo Tuđman haben die regionale Ordnung Istriens massiv bedroht. Dort ist seit den späten 1970er Jahren ein kulturell formulierter Istrianismus (istrijanstvo; istrianità) entstanden, der Anfang 1990 in einer politischen Regionalpartei – der zweisprachigen IDS (Istarski demokratski sabor)/DDI (Dieta Democratica Italiana) – organisiert worden ist und der bis in die Gegenwart zahlreiche Wahlerfolge auf der Halbinsel erzielen konnte. Ziel der Partei war (und ist) es, Istrien zu einem Modell für ein ‚Europa der Regionen‘ zu machen. Dessen Grundlage wurde in der eigenen Geschichte und Identität – in Zweisprachigkeit, Multikulturalität und dem über Jahrhunderte hinweg erfolgten gemeinsamen, weil ‚gemischten‘ Zusammenleben – gesehen. Dieses Identitätsnarrativ steht, weil unter der Bedingung konkreter Bedrohter Ordnungen entstanden und im Rahmen eines re-ordering-Prozesses ausformuliert, im Zentrum dieses TP.
Dabei ist es besonders aufschlussreich – und ordnet dieses TP dem Bereich der diachronen Interdependenzen von Ordnungen zu –, dass in den 1990er Jahren in Istrien zunehmend von einem historisch belegten, ‚hybriden istrianischen Wesen‘ (il nostro essere ibrido) die Rede war (und bis in die Gegenwart ist). Damit ist ein Selbstverständnis aufgerufen worden, das in der Habsburgerzeit von deutsch- und italienischsprachigen Wissenschaftlern als „Hibridismus“/“ibridismo“ erstmals beschrieben wurde und im Fokus des TP G03 der 2. Projektphase ‚Istrien als ‚Versuchsstation‘ des Kulturellen. Hybridität als (bedrohte) Ordnung‘ gestanden hat. „Hibridismus“/“ibridsmo“ wurde dort als reflexiver Teil eines durch staatliche Kategorisierungen (etwa Volkszählungen) evozierten re-ordering-Prozesses gedeutet.
Dessen in den 1990er Jahren unter den Bedingungen einer nationalen – und somit synchronen – Ordnungskonkurrenz in Istrien stattfindende Implementierung ist mit stark verändertem Begriffsverständnis geschehen: Istrianität – und mit ihr das Leitverständnis von ‚Hybridität‘ – wurde auf das Zusammenleben der kroatischen und der italienischen Bevölkerung eingeschränkt. Sie führte so, wie im SFB zentral adressiert, zu grundlegenden Prozessen der Inklusion der ‚Istrianer*innen‘ (TU1) bzw. der Exklusion von allen anderen (TU2). Beide TU tragen als gedruckte Dissertationen zum Endergebnis dieses Fortsetzungsantrages ebenso bei, wie ein Tagungsband und die vom TP-Leiter in Englisch publizierte Monografie ‚A Genealogy of Hybridity‘.