Uni-Tübingen

Janina Sollbach

Kollegiatin

Anschrift Büro:

Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung Seminar HRGe

Bastionstraße 11-19

52428 Jülich

E-mail:

janina.sollbach(at)googlemail.com

Telefon:+49 (0) 7071 29-77333

Akademischer Werdegang

10/2006 – 03/2010 Studium der Germanistik und Wirtschaftswissenschaften (Lehramt für Realschulen)
Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
04/2010 – 03/2011 Qualifikationsstudium der Germanistik und Wirtschaftswissenschaften
Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz

Berufliche Stationen

09/2010 – 03/2011 Wissenschaftliche Hilfskraft
Editionsprojekt: Der Briefwechsel zwischen den Brüdern Grimm und dem Rechtshistoriker Friedrich Bluhme
Universität Koblenz- Landau, Campus Koblenz
09/2010 – 03/2011 Mitarbeiterin im Landesbibliothekszentrum
Rheinische Landesbibliothek
Koblenz
seit 04/2011 Lehrbeauftragte
Universität Koblenz-Landau, Campus Koblenz
Institut für Germanistik
seit 04/2011 Kollegiatin im GrK „Religiöses Wissen“
Eberhard-Karls-Universität Tübingen

Die Funktionen der Einzelviten religiöser Frauen am Beispiel Christine Ebners

Die aus dem Mittelalter vielfach belegte und überlieferte literarische Tätigkeit religiöser Frauen soll am Beispiel Christine Ebners, einer Dominikanerin im Kloster Engelthal, einer funktionalen Untersuchung unterzogen werden. Als Grundlage dienen die Handschriften der beiden ihr zugeschriebenen Werke, der „Gnadenvita“ und der „Offenbarungen“. Zentral ist dabei die Frage nach den Funktionen der Verschriftlichung göttlicher Gnaden durch eine religiöse Frau, womit Christine Ebner im Spätmittelalter in einer breiten Tradition steht. Ihrem Werk kann man jedoch auch eine weitere, über die für diese Literatur bereits nachgewiesene Aufgabe der memoria und der monastischen Traditionsbewahrung hinausgehende, weltliche Funktion unterstellen: Mit der Verschriftlichung des „Lebens“ einer Frau, die eine exklusive, vielfältige und hochkomplexe Beziehung zu Gott pflegte, dürfte eine exemplarische Funktion der Nonne und eine reputationssteigernde und bekanntheitserhöhende Wirkung für das Kloster verbunden gewesen sein, die in den Texten strukturell, sprachlich und inhaltlich angelegt wurde.


Mit Hilfe eines narratologischen Instrumentariums, insbesondere der Kategorien „Ordnung“, „Dauer“, „Frequenz“, „Stimme“ und „Modus“, dabei in besonderem Maße des Begriffes der „Fokalisierung“ Gérard Genettes und deren durch den Text erforderliche Variation, werden die dialogischen Szenen zwischen der göttlichen Instanz und dem sprechenden Gegenüber untersucht, um genau diese Strukturen und ihre intendierte Wirkung zu erfassen. Ziel der Analyse ist das Aufzeigen der erzähltheoretischen Strukturen, mit welchen die intendierte Wirkung, z.B. die Exempelfunktion, die (Sozial-)Kritik oder die Unterweisung realisiert wird. Dabei steht die Struktur der Dialoge ebenso im Vordergrund wie die im Fortlauf der Texte zunehmende Wiederholung formaler und inhaltlicher Gestaltungsmerkmale, welche wiederum die besondere Funktion der Kontemplation, Meditation und Ritualisierung innehat.


Die Verwendung dieser theoretischen Basis würde voraussetzen, die Texte als fiktional zu verstehen, was durch die Struktur des Textes gestützt wird, handelt es sich doch hier nicht, wie vielfach bei Texten von Mystikerinnen unterstellt, um die unmittelbare Verarbeitung des von Gott Erfahrenen und damit als primär (auto-) biographisch zu Lesendes. Vielmehr liegt hier ein höchst konstruierter, innerlich komplexer und elaborierter Text vor, bei dem die Übereinstimmung oder Abweichung zwischen schreibendem und sprechendem Ich nicht zweifelsfrei zu bestimmen ist. Die Unterscheidung zwischen fiktionalem und faktionalem Text ist bei dieser Literatur nicht grundsätzlich zu treffen und muss deshalb in der Untersuchung stets neu verhandelt werden.


Werden produzentenseitig verschiedene Funktionen beabsichtigt, richten sich diese verständlicherweise an einen Rezipientenkreis, der zunächst im klösterlichen Kontext und auf diverse monastische Situationen bezogen ist, z.B. die Tischlesung. Darüber hinaus sind aber auch weitere Gruppen und Konstellationen der Rezeption denkbar, die über das Kloster hinausgehen und bei denen mittels sozialgeschichtlicher bzw. gesellschaftstheoretischer Methoden untersucht werden soll, welche Wirkung auf welche Art bei welchen Rezipienten verfolgt wurde, da eine wechselseitige Verflechtung und Beeinflussung zu vermuten ist.
Schließlich ist es keinesfalls selbstverständlich, dass eine Nonne aus dem spätmittelalterlichen Gesellschaftsgefüge und ihrem persönlichen Lebenskontext heraus sich selbstbewusst und individuell als in einer exklusiven Verbindung zu Gott stehend darstellt bzw. in dieser Form stilisiert wird. Sie, die aus einer mittelalterlichen Perspektive als Nicht-Expertin zu klassifizieren ist, wird prominent herausgestellt und in ihrer Autorität von Gott instrumentalisiert und autorisiert sowie seitens des Textes installiert. Unter einer genderspezifischen Perspektive wird zu fragen sein, wie auf der Grundlage eines durch männliche Vorstellungen geprägten Gottesbildes und eine durch Männer vollzogene cura monialium die Nonne in einem maskulin-einseitig geprägten Diskurs ein vollständig konträres Bild von Gott erlangte, das in den Texten Christine Ebners überliefert ist und eine vom männlich geprägten Christentum zumindest divergierende Position vertritt.


Ziel der Arbeit ist es, mit Hilfe narratologischer Werkzeuge und unter Verfügbarmachung sozialgeschichtlicher bzw. gesellschaftstheoretischer und diskursanalystischer Ansätze sowie Methoden der Gender Studies verschiedene, funktional unterscheidbare Sequenzen aus den Texten zu extrahieren und diese anschließend unter Anwendung der oben skizzierten Methodik zu analysieren, um an den Texten Christine Ebners exemplarisch die Funktionen der sog. „Nonnenliteratur“ (S. Ringler) erstmals systematisch herauszuarbeiten und in ihrer narratologischen Konzeption zu erfassen.