Johanna Jebe, M.A.
Kollegiatin
Akademischer Werdegang
10/2005 – 03/2014 | Studium der Fächer Neuere und Neueste Geschichte, Mittelalterliche Geschichte und Ev. Theologie (Magistra Artium) sowie Geschichte, Ev. Theologie (1. Staatsexamen für das Lehramt an Gymnasien) und Deutsch (Zwischenprüfung) Eberhard Karls Universität Tübingen |
02/2006 – 03/2013 | Stipendiatin der Studienstiftung des deutschen Volkes |
03/2008 – 06/2008 | Praxissemester (Lehramt) am Deutsch-französischen Gymnasium Buc/Versailles, Paris |
09/2008 – 07/2009 | Auslandsstudium der mittelalterlichen und neueren Geschichte, Antiken christlichen Literatur und Kunstgeschichte Università di Bologna, Italien, gefördert durch das Baden-Württemberg-STIPENDIUM der Landesstiftung und das Auslandsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes |
09/2009 – 03/2011 | Mitglied des Geisteswissenschaftlichen Kollegs „Kreation und Zerstörung“ der Studienstiftung des deutschen Volkes, Arbeitsgruppe „Zäsuren und Zäsurerfahrungen“, Prof. Dr. Peter Burschel/Prof. Dr. Alexander Gallus/Prof. Dr. Axel Schildt |
04/2013 und 10/2013 | Wissenschaftliche Prüfung für das Lehramt an Gymnasien in Evangelischer Theologie und Geschichte |
03/2014 | Abschluss der Magisterarbeit (Thema: „Spenderbriefe in den ‚Halleschen Berichten‘ [1740–1769]“, Prof. Dr. Renate Dürr) |
Berufliche Stationen
06/2007 – 02/2008 | Studentische Hilfskraft bei der Arbeitsstelle „Luther-Register“ (WA), Heidelberger Akademie der Wissenschaften/Institut für Spätmittelalter und Reformation Universität Tübingen |
09/2009 – 03/2014 | Studentische Hilfskraft am Lehrstuhl für Kirchengeschichte II (Schwerpunkt Alte Kirche), Herr Prof. Dr. Volker H. Drecoll, Evangelisch-Theologische Fakultät, Universität Tübingen; Mitarbeiterin in der Redaktion der „Zeitschrift für antikes Christentum“ (ZAC) |
seit 02/2010 | Wissenschaftliche Hilfskraft zur Redaktion von Martin Hengel (†)/Anna Maria Schwemer: Geschichte des frühen Christentums Bd. II, Philipp-Melanchthon-Stiftung Tübingen |
10/2011 – 02/2014 | Tutorin am Seminar für mittelalterliche Geschichte, Philosophische Fakultät, Universität Tübingen |
seit 04/2014 | Kollegiatin am Graduiertenkolleg 1662 „Religiöses Wissen im vormodernen Europa (800–1800)“ Eberhard Karls Universität Tübingen |
„Religiöses Wissen und monastische Reformen in der Karolingerzeit“
(Arbeitstitel)
(Betreuung: Prof. Dr. Steffen Patzold, Prof. Dr. Volker Leppin)
Im Zusammenhang mit der Erforschung der umfassenden karolingerzeitlichen Ordnungsbestrebungen sind auch die Impulse zu einer einheitlichen Ausrichtung und Reglementierung des monastischen Lebens um 800 als wesentliche Zäsur beschrieben worden: Gegenüber einer vormaligen Vielfalt an gelebten monastischen Einzeltraditionen gilt die zu dieser Zeit forciert durchgesetzte exklusive Definition von Mönch-Sein über das Befolgen der einen, schriftlich eindeutig gesicherten Mönchsregel in Form der „Regula Benedicti“ als zentraler Indikator für eine wesentliche gedankliche und konzeptionelle Neuorientierung.
Bis in die 1990er Jahre sind diese Entwicklungen unter einer eher innermonastisch institutionsgeschichtlich orientierten Perspektive über das etablierte Konzept der „Anianische Reform“ und damit in enger personeller und zeitlicher Fokussierung auf Ludwig den Frommen und seinen „Reichsabt“ Benedikt von Aniane (Hallinger/Semmler) erfasst worden. Dagegen lassen erste jüngere regional- und strukturgeschichtlich konzipierte Grundlagenstudien zur karolingerzeitlichen Klosterlandschaft die Notwendigkeit erkennen, die bisher unter dem Stichwort der „Reform“ zusammengefasste Vielfalt unterschiedlicher Entwicklungsprozesse genauer zu differenzieren. Das Dissertationsprojekt strebt in diesem Zusammenhang einen Perspektivwechsel bezüglich der Ausgangsfragestellung und Methodik an: Obwohl nämlich um 800 im Kern das Verständnis von „vorbildlichem“ Mönchtum in allen maßgeblichen, teils verflochtenen Kontexten (Hof, regionale und lokale Strukturen, Einzelklöster) normativ und praktisch richtungsweisend definiert und ausgehandelt wurde, ist bisher die Frage nach der Generierung dieses Wissens kaum gestellt worden. Daher geht das Dissertationsvorhaben von dem Ansatz aus, dass eine Analyse der monastischen Entwicklungen im Sinne eines Konzepts von Religiösem Wissen, also als mehrdimensionale Transformations- und Aushandlungsprozesse im diskursiven und praktischen Wissen von „gutem Mönchtum“ bzw. „vorbildlichem christlichen Leben“, wesentliche neue Verständnisperspektiven auf die Ausbildung eines frühmittelalterlichen Mönchtums eröffnet. Mit dem Konzept von Religiösem Wissen ist dabei besonders wegen der Erkenntnisinteressen zu dessen dynamischen Potential und der prozessualen Konzeption des Begriffs eine Differenzierung und Erweiterung der bisherigen Fragestellungen verbunden: So geraten (1) besonders Aushandlungen und Wechselwirkungen zwischen konkurrierenden Entwürfen, Resistenzen und Verhandlungsräume innerhalb der Ausbildung religiöser Wissensformationen in den Blick. Die unterschiedlichen Analyseebenen, auf denen sich religiöses Wissen in permanenter Auseinandersetzung wechselseitig zwischen verschiedenen Stufen eines festen religiösen Wissenskanons und der Adaption an historischen Wandel formiert, sensibilisieren aber auch (2) für Fragen nach dem produktiven Umgang mit zeitgenössischen Autoritäten und nach Normativitätsvorstellungen im monastischen Diskurs. Besonders wird über dieses wechselwirksame In-Bezug-Setzen von Wissen um Mönchtum zu der stetigen Dynamik des Wandels von sozialen Ordnungen und kulturellen Praktiken (3) eine wesentliche Kontextualisierung der Untersuchung der monastischen Entwicklungen im breiteren Rahmen der karolingischen „Correctio“ erreicht.
Um unter diesen Leitfragen die wesentlichen relevanten Kontexte der Wissensgenerierung zu berücksichtigen, bewegt sich das Dissertationsprojekt zwischen zwei Polen: Neben der Frage nach Impulsen durch (1) innerhöfische personale oder diskursive Zusammenhänge sollen insbesondere (2) auch in Einzelfallstudien exemplarisch Aushandlungsprozesse in den Klöstern selbst im Zentrum der Untersuchung stehen. Da ein zentrales Erkenntnisinteresse auf den diskursiven Schnittstellen und wechselseitigen Verflechtungen zwischen diesen beiden Analysekontexten liegen muss, konzentriert sich die Auswahl der konkreten Fallstudien auf diejenigen Institutionen, deren Äbte auch gleichzeitig als bedeutende Protagonisten am karolingischen Kaiserhof Ideen in die Gemeinschaften hinein und möglicherweise auch umgekehrt an den Hof zurück tragen konnten (z.B. Corbie, St. Denis, Fulda). Mit dem ergänzenden Zugang über die Wissensbestände und die Wissensproduktion in den Einzelinstitutionen ist darüber hinaus eine Erweiterung des bisher berücksichtigten normativen Quellencorpus (Kapitularien, Konzilsakten) verbunden: Als Zugriffsmöglichkeit auf die spezifischen Konzeptionen von Mönchtum und den produktiven Umgang mit neuen Impulsen in den Einzelklöstern sollen auch Hinweise auf die Aktivitäten in den jeweiligen Skriptorien ausgewertet werden. Solche Tätigkeiten sind u.a. über zeitgenössische Bibliotheksbestände, die Erstellung zentraler Werkkopien, Kommentierungen sowie die spezifische Zusammenstellung von Sammelhandschriften zu erschließen. So sind gerade auf dieser Ebene weiterführende Erkenntnisse zum Umgang mit Traditionen innerhalb der monastischen Gemeinschaft, mit Autoritätsinstanzen und dem zeitspezifischen Verständnis von Normativität zu erhoffen. Derartige Einsichten sind insbesondere auch vor dem Hintergrund einer Gesellschaft von Interesse, die die Frage, was gottgefällig ist, zu einem handlungsleitenden politischen Argument machen konnte.