Uni-Tübingen

Stefanie Neidhardt

Assoziierte Kollegiatin

Akademischer Werdegang

10/2005 – 10/2011 Studium der katholischen Theologie, Anglistik und Geschichte an der Universität Tübingen. Abschluss: Staatsexamen in den Fächern katholische Theologie und Englisch
09/2008 – 06/2009 Studium der mittelalterlichen Geschichte am King’s College, University of London, mit dem Europäischen Exzellentenprogramm des DAAD
10/2010 Wissenschaftliche Arbeit mit dem Thema: Kirchheim – Chronik einer Reform
09/2011 – 04/2012 Erweiterungsprüfung des Staatsexamens in Geschichte an der Universität Tübingen
seit 10/2011 Assoziierte Kollegiatin im Graduiertenkolleg 1662 „Religiöses Wissen“, Universität Tübingen

Frömmigkeit in Frauenklöstern der Observanz im 15. Jahrhundert

Die Frauenkonvente des ausgehenden 15. und beginnenden 16. Jahrhunderts rücken in jüngster Zeit bezüglich ihrer sozialgeschichtlichen Vernetzung untereinander sowie mit anderen Orden und ihrer Weitergabe von Informationen in den geschichtlichen Fokus. Diese Klöster, von denen besonders die sächsischen und oberrheinischen Ordenshäuser erforscht wurden, werfen ein bezeichnendes Licht auf die Zeit der Vorreformation, indem sie Auskünfte über den Alltag der klösterlichen Welt einer religiösen Elite bieten und den Glauben und das Erscheinungsbild der katholischen Kirche vor der Reformation spiegeln. Diese Einblicke in Reformklöster und ihre Frömmigkeit sind einmalig, weil die Frauen zwar nicht mündlich mit ihrer Umgebung im großen Stil kommunizierten, dafür aber schriftlich von ihrem Glauben, ihrem Leben und ihrer Frömmigkeit Zeugnis ablegten. Obwohl viele dieser Schriftzeugnisse gesammelt und ediert wurden, spielen die Frömmigkeit und das religiöse Wissen der im Kloster lebenden Schwestern für die Forschung momentan noch eine geringere Rolle.

Mein Forschungsanliegen soll sich daher mit der Frömmigkeit der reformierten Dominikanerinnenkonvente beschäftigen, in soweit sie von wichtigen dominikanischen Reformern beeinflusst wurden. Um die Dynamik der Reform nachzuzeichnen, möchte ich in einem ersten Teil die Werke der dominikanischen Reformer Nider und Meyer auf ihre Frömmigkeit, Theologie und Reformgedanken untersuchen. Mein Augenmerk soll besonders auf die Bildung der Reformer, ihre Vorstellungen vom Ablauf der Reform und ihr Bild der Schwestern gerichtet sein. Da Johannes Meyer auch einige Schwesternbücher (Töss, Adelshausen, Dießenhofen) im Sinne der Reform redaktionell bearbeitete, sollen diese Werke im Bezug auf ihre Theologie und letzte Redaktion in die Untersuchung einbezogen werden.

In einem weiteren Schritt möchte ich auf die Schwesternbücher und Chroniken in den reformierten Dominikanerinnenklöstern eingehen. Ein Beispiel wäre die Kirchheimer Chronik der Magdalena Kremerin, in der die Chronistin mit ihrem ganzen religiöses Wissen aus Bibel und Patristik und ihrem Gauben an die Reform sich zusammen mit ihren Mitschwestern gegen Widerstände von außen und innen widersetzte. Um das religiöse Wissen und die Frömmigkeit der im Kloster lebenden Schwestern zu ermitteln, vor allem, wie sie ihren Alltag mit Gebet, Gottesdienst und Chorgebeten gestalten, möchte ich der Frage nachgehen, wie die Reform innerhalb des Klosters aufgenommen wurde. Die Art und Weise, wie die observanten Regeln durchgesetzt und eingehalten wurden und wie sich durch die Reform beeinflusst das Gottesbild und der Glaube veränderten, muss naturgemäß bei dieser Untersuchung eine Rolle spielen. Um den Zusammenhang von Bildung und Frömmigkeit zu beleuchten, soll untersucht werden, wie die Bildung der Chronistin sich in ihrem Werk niederschlägt, in wie weit sie der lateinischen, vielleicht griechischen Sprache mächtig war, welche Kenntnis der Bibel, der Patristik und der inneren Vorgänge im Dominikanerorden sie hatte. Für den Begriff der Frömmigkeit spielt neben der Bildung der Verfasserin der Quellen auch die Art der Darstellung der Chorgebete und der Messe einer Rolle. Hier erweist sich eine Interaktion mit dem Göttlichen in Handlungen, die ihrerseits von einer sozialen Gruppe getragen wurde, die in ihrem religiösen Wissen relativ homogen war.

Ausgehend von den Beobachtungen des Reformablaufes des Dominikanerordens in der Kirchheimer Chronik möchte ich der Frage nachgehen, wie religiöses Reformgedankengut weitergegeben und verarbeitet wurde und inwiefern sich solches Gedankengut veränderte, weil es sich an die Bedingungen und Notwendigkeiten der Zeit, des Standortes, der Klöster und der Reformer anpassen musste. Wie die Frauenklöster diese Gedanken der neuen religiösen Lebensform in der Klausur mit der neuen Frömmigkeit aufnahmen und sie in ihren Schwesternbüchern, Chroniken und Baumaßnahmen an ihre Mitschwestern, die Umwelt und die Nachwelt weitergaben, wird ebenfalls zu untersuchen sein. Dabei wird eine Dynamik der Reform zu Tage treten, die der täglichen Frömmigkeitspraxis der Frauen entsprach. Andererseits wird sich vermutlich auch der Widerstand gegen die Reform und die Kritik an ihr in diesen Quellen finden. Die Ablehnung entspricht in ihrem Beharren auf die liberalere Klosterregel ebenfalls einer Anschauung von Frömmigkeit in der Vorreformationszeit.

Eine Einordnung der Schwesternliteratur in die Frömmigkeit der Zeit des 15. Jahrhunderts für die behandelten Frauenklöster Süddeutschlands sollte am Schluss dieser Untersuchung stehen. Obwohl Mystik weniger zu erwarten sein wird, kann man als Ergebnis auf die Feststellung der Einflüsse der Devotio Moderna, der Ideen der Reformkonzilien von Konstanz und Basel, dominikanischer Theologie und vielleicht des Humanismus hoffen. In jedem Fall wird als Ergebnis die Spiritualität der reformierten Klöster kaum Anfälligkeit für die Ideen der Reformation Martin Luthers erwarten lassen, sondern den religiösen Bedürfnissen frommer Frauen im 15. Jahrhundert entsprechen.